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Mittwoch, 24. Januar 2018

Turons Senf zur zwölften Episode Discovery


Spoilerwarnung
. Diese Rezension enthält massive Spoiler zur aktuellen Discovery-Folge "Blindes Verlangen". Es empfiehlt sich daher unbedingt, diese und sämtliche vorherigen Folgen gesehen zu haben, bevor man mit dem Lesen an dieser Stelle fortfährt, zumal die Spoiler dieses Mal die Qualität haben, den Sehgenuss deutlich zu schmälern.


I. Einleitung.
Es ist schon spät – nur noch drei Folgen und Discovery geht für wohl mindestens ein Jahr in einen viel zu langen Winterschlaf über. So scheint es langsam an der Zeit zu sein, die einzelnen Handlungsstränge zusammenzuführen, Unklarheiten zu beseitigen und das Publikum mit der ein oder anderen unerwarteten Entwicklung trotz der langen Wartezeit bei der Stange zu halten.
Ob "Blindes Verlangen" diesem Anspruch gerecht werden kann?

II. Story.
Michael Burnham hat sich ihren vermeintlichen Gefangenen und tatsächlichen Vorgesetzten Lorca geschnappt und ist mit ihm auf dem Weg zum Palastschiff der Imperatorin. Doch während es ihr bereits beim bloßen Gedanken daran schaudert, sich mit dem hiesigen Alter Ego ihrer Mentorin auseinanderzusetzen, kommt es noch viel schlimmer, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen hätte ausmalen können: Nach einem denkwürdigen Abendessen lässt Imperatorin Georgiou Burnham festnehmen, um sie kurz darauf hinrichten zu lassen.
Nicht minder turbulent geht es derweil auch auf der USS Discovery zu. Paul Stamets' Bewusstsein geistert auf der Suche nach Antworten auf dem Mycel-Highway-to-Hell herum, während Saru versucht die klingonische Gefangene L'Rell dazu zu bewegen, das offensichtliche Leiden Ash Tylers zu beenden.
Und dann ist da noch Lorca, dessen mysteriöse Vergangenheit plötzlich in einem völlig neuen Licht erstrahlt…


III. Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.

Puh, wo fange ich nur an?
Tatsächlich waren die Darsteller durch die Bank glänzend aufgelegt, so dass es schwerfällt, den ein oder anderen Charakter sonderlich herauszuheben. Dennoch versuche ich es an dieser Stelle schweren Herzens.
Ein Comeback im wahrsten Sinne des Wortes feierte der passiv-komatöse Pilzconnoisseur Paul Stamets, dessen fragilen Geist es in die unendlichen Weiten des labyrinthartigen Myzel-Netzwerkes verschlagen hat.
Anthony Rapp nach so langer Zeit einmal Dialogzeilen abseits von wirrem Gebrabbel von sich geben zu hören war ja schon Grund zur Freude, aber dass er ausgerechnet an diesem Ort seinem eigenen Spiegeluniversumsabbild begegnet, war sicherlich das Sahnehäubchen auf diesem Leckerbissen für die Fans. Dass diese Reflektion einer eigenen Agenda folgen würde, war in diesem Zusammenhang abzusehen, aber dann noch mitzuerleben, dass Stamets im Körper seines Feindes an Bord des Palastschiffes erwacht, gibt der Geschichte nochmals einen Schubs in eine spannende Richtung.
Stamets' Szenen mit Culber wandelten dagegen auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst, doch es ist ihnen zugutezuhalten, dass sie sich in keiner Sekunde so aufgesetzt wirkten, wie die vergleichsweise zwischen Rosamunde Pilcher und gezieltem Plottwist angesiedelten Beziehungsmomente bei Tyler und Burnham.


Und wo wir gerade von Leckerbissen und Burnham reden:
Ich kann an einer (meiner Lieblings-) Szene einmal festmachen, warum ich Sonequa Martin-Green für eine so großartige Schauspielerin halte. Beim perfekten Dinner mit der Imperatorin ist sie schon bereit, die volle Punktzahl für den ersten Gang zu geben, als sie erfährt, was sie dort eigentlich verzehrt:
Die Spiegeluniversumsvariante ihres Kollegen Saru.
Der schiere Horror in ihren Augen, der aufsteigende Würgereiz und der vehemente, aber doch unterdrückte Ekel auf der einen Seite, gepaart mit der Selbstdisziplin, die Tarnung um jeden Preis aufrecht zu erhalten, der Reue, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben und der Abscheu für eine Gesellschaft, die bereit ist, empfindungsfähige Spezies zuzubereiten stehen allesamt gleichzeitig in ihrem Gesicht geschrieben. Es trägt maßgeblich dazu bei, mit Burnham zu fühlen und ihren inneren Kampf an der eigenen Haut mitzuerleben.


Mal abgesehen von der mitunter nur schwer nachvollziehbaren Figurenmotivation (Warum gibt sie zum Beispiel bereitwillig so viele Informationen preis?) glänzt die Darstellerin die gesamte Folge hindurch, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass Michelle Yeoh ein kongenialer Dialogpartner ist. Tatsächlich schafft die pompös inszenierte, aber eloquent gespielte Spiegeluniversumsentsprechung Georgious noch besser als ihr im Vorfeld viel zu kurz gezeigtes Vorbild, das Beste aus Martin-Green herauszukitzeln.
Immer wieder bewundernswert finde ich desweiteren – nicht zuletzt wegen seines sehr kurzen Auftrittes als sein eigenes SpiegelbildDoug Jones' Performance. Trotz der massiven Maske gelingt es ihm durchgängig, subtile sowie offensichtliche Gefühle zu transportieren, seiner Figur Saru Leben einzuhauchen und doch eine klare Linie in der eigenen Figureninterpretation beizubehalten. 
Ähnliches muss man im gleichen Atemzug auch Mary Chieffo zugestehen. Dass L'Rell in einem erstaunlichen Anflug unklingonischer Barmherzigkeit das Martyrium Tylers beendet ohne dass man als Zuschauer laut zeternd von seinem Fehsehsessel aufspringt, konnte man nicht zuletzt auf ihre stringente Darstellung zurückführen.
Erstaunlicherweise blieb Jason Isaacs verhältnismäßig weit im Hintergrund. Abgesehen von seiner dramatischen Identifizierung als Reichsbürger des Terranischen Imperiums blieb ihm recht wenig Raum, um deutliche schauspielerische Akzente zu setzen. Was er zeigen konnte war – wie auch bei den gleichermaßen unterrepräsentierten Syliva Tilly und Ash Tyler – auf stabilem Niveau.


Folgenkonstruktion.

Einer der ersten Kritikpunkte auf meiner Liste war noch vor dem Start der Folge, dass sie gerade einmal siebenunddreißig Minuten zählen würde.
Aber schon nach dem ersten Ansehen musste ich der Episode zugestehen, dass sie es dennoch vermochte, diese halbe Stunde (da werden ja auch noch Rückblick, Vorspann und Abspann abgezogen) derart mit Inhalt auszufüllen, als wäre sie doppelt so lang.
Wie in einem Uhrwerk greifen die einzelnen Handlungsorte, die Multiperspektive und die Einzehlschicksale wie Zahnräder ineinander über und werden mit mal mehr und mal weniger geschickten Übergangsschnitten miteinander verbunden. So entsteht ein flüssig erzählter roter Faden, der alle Beteiligten trotz der Entfernungen zurück in ein gemeinsames Boot holt.
Immer wieder stechen dabei eindrucksvoll inszenierter Einzelbilder hervor, die wie ein Renaissance-Gemälde durchchoreographiert wirken und besondere Momente zusätzlich unterstreichen.
Gleiches kann man auch vom Soundtrack sagen, der viele Situationen gleichzeitig hervorhebt und doch niemals so aufdringlich wird, dass man ihn als störend empfinden oder gar vom Moment abkoppeln könnte.


Und als würde Quentin Tarrentinos mögliches Engagement beim nächsten Star-Trek-Kinofilm bereits seinen langen Schatten vorauswerfen, findet die Fokussierung auf das Spiegeluniversum seinen Höhepunkt in einem obszönen Ausleben einer bizarren Lust an Gewalt. Die teilweise recht erschreckende Brutalität ist irgendwo zwischen künstlerischer Freiheit und grafischer Überzeichnung angesiedelt und trägt maßgeblich dazu bei, den Schrecken des Handlungsorts schonungslos zu demonstrieren. Zwar hätte ich mir mehr subtile Szenarien wie etwa das bereits erwähnte Candlelight-Dinner mit Burnham und Georgiou gewünscht, aber dieses provokativer Stilmittel verfehlt trotz aller angebrachter Kritik seine Wirkung nicht.


III. Kritikwürdige Aspekte.

Enthüllungen.
Kurz vor dem Zieleinlauf ist es natürlich vonnöten, Rätsel aufzulösen, Masken herunterzureißen oder Katzen aus dem Sack zu lassen.
Bereits seit zwei Folgen zieht sich etwa die vermeintliche 'Enthüllung' hin, dass sich hinter Tyler der klingonische Unions-Fanatiker Voq verbirgt. Aber viele Fragen stehen noch offen.
Ist Voq jetzt tot?
Oder erst recht erwacht?
Bleibt er als Tyler der Serie auch in der nächsten Staffel erhalten?
Noch mehr drängt sich mir allerdings die Frage auf, wie genau aus Voq Tyler wurde.
Ist er ein Klingone in Menschenpelz oder ein Mensch in Klingonengestalt?
Wer eine Antwort auf diese Frage erwartet, wird enttäuscht werden:

"The one you call Tyler was captured in battle at the Binary Stars. We harvested his DNA, reconstructed his conscienceness and rebuilt his memory. We modified Voq into a shell that appears human, we crafted his psyche into Tylers and in so doing Voq has given his body and soul for our ideology."

Oder, wie es in der deutschen Synchronisation mit ähnlichem Tenor heißt:

"Der den Sie Tyler nennen, wurde bei der Schlacht am Doppelstern gefangen genommen. Wir haben seine DANN erbeutet, sein Bewusstsein rekonstruiert und seine Erinnerungen kopiert. Wir haben Voqs Körper einen menschlichen Anschein gegeben und seine Psyche in die von Tyler verpflanzt und auf diese Weise hat Voq seinen Körper und seine Seele für unsere Ideologie gegeben."

Mal ganz abgesehen davon, dass sich diese Aussage selbst widerspricht, scheint L'Rell hier einen völlig unnötigen Aufwand betrieben zu haben. Beinahe wirkt es, als hätte sie beide Personen in einen Mixer geworfen, auf höchster Stufe püriert und das Ergebnis dann in einer Gussform halbgar ausgebacken.
Was mich aber noch viel mehr stört:
Warum eigentlich?
Was hat sie damit bezweckt?
Hat Voq sich nicht für eine wahnwitzige Minimalchance geopfert, bei der es sinnvoller gewesen wäre, im Klingonischen Reich auf Kols Tod zu warten um dann die Ideen T'Kuvmas wieder hervorzukramen?
Immerhin hat eine ganze Reihe haarsträubender Zufälle überhaupt erst dazu geführt, dass sie beide an Bord der Discovery gelangen konnten und dass Endergebnis als 'Fehlschlag' zu bezeichnen, ist bei Lichte betrachtet noch eine recht euphemistische Umschreibung der wirren Ereignisse.


Nicht viel durchdachter präsentiert sich auch Lorcas Offenbarung als gebürtiger Spiegeluniversumseingeborener.
Der ganze Aufwand diente nur dazu, an Bord des Palastschiffes zu gelangen?
Das finde ich dann doch ein wenig zu weit hergeholt, zumal seine Herkunft aus dieser Realität ein so offenes Geheimnis war, dass es in vorangegangenen Rezensionen bereits angedeutet wurde.
Aber das stört mich noch nicht einmal am meisten.
Was ich stets an Lorca gepriesen habe war, dass er aus dem üblichen Schema des schon unglaubwürdig kantenlosen Sternenflottencaptains herausragte, weil er unpopuläre Entscheidungen traf, einen eigenwilligen Führungsstil pflegte und sein Name eben nicht ganz oben auf der Liste der verdientesten Flottenkommandanten stand.
Lorca war ein Matt Decker.
Ein Edward Jellico.
Oder ein Rudolph Ransom.
Eben einer von jenen Captains, die es in der Sternenflotte zuhauf geben muss, aber die nie angesprochen werden, weil sie kaum aus dem Schatten eines Kirks, Picards oder einer Janeway heraustreten. Darin lag der Verdienst dieser Figur.
Dieses Sujet hat Lorca bis hier her auch redselig erfüllt. Aber mit seiner Herkunft aus dem Spiegeluniversum bleiben uns am Ende doch nur die glänzenden Burnhams, Georgious oder Pikes. Es wirkt fast, als sei dieses Universum voller integrer Menschen gar nicht in der Lage, aus eigener einen zwielichtigen Charakter hervorzubringen. Es ist eine Überzeichnung genau wie das Spiegeluniversum und damit kaum geeignet, eine glaubwürdige Entwicklungslinie der Menschheit von heute zu zeichnen.
Als ob das nicht genug wäre, präsentiert "Blindes Verlangen" mit der ISS Charon auch noch eines jener vermeintlich furchteinflößenden Riesenschiffe, die eine Bedrohung schon allein ob ihrer Größe suggerieren sollen. Dass ging aber schon deshalb gründlich daneben, weil das Schiff wie das uneheliche Kind eines Sternenzerstörers aus Star Wars und dem Kreuzfahrtdampfer auf Fhloston Paradise in "Das fünfte Element" wirkt. Obgleich diese unnötige Megalomanie in Filmen wie "Nemesis", "Star Trek (2009)" oder "Star Trek Into Darkness" oft genug kritisiert wurde, hat man sich mit diesem Modell wieder einmal in der Mottenkiste klassischer Filmmotive vergriffen.


Zweifelsohne ist diese Einschätzung sehr subjektiv.
Das zeigt sich schon darin, dass ich ganz persönlich die Darstellung des Spiegeluniversums und vor allem des nie zuvor gezeigten Hofstaates sehr genossen habe, auch wenn sich andere Fans dagegen verwehrten.
Ich fand viel eher, dass diese Interpretation das etwas einseitige Universum eher aufgewertet hat.
Klar hat die Imperatorin eine Liste an Titeln, die Erich Honecker vor Neid im Grabe rotieren ließe.
Klar ist alles nur eine Metapher, in der das terranische Imperium die Klingonen der ursprünglichen Zeitlinie symbolisiert.
Und klar ist das Design dieses Universums sehr stark abweichend von den Vorbildern.
Aber das sind zum Teil legitime erzählerische Mittel.
Titel sind zum Beispiel in vielen totalitären Regimen ein Aushängeschild der eigenen Macht. Die Spiegelung der herrschenden Verhältnisse kann zur Lösung der eigenen Probleme genutzt werden. Und wird nicht ein neuer (Georgiou ablösender) Imperator die Symbolik seines Vorgängers durch eigene Uniformen, Abzeichen und Zeremonien ersetzen, um seine eigene Herrschaft von der des ungeliebten Vorgängers zu trennen?
Bei dieser ganzen Diskussion bewundere ich immer wieder die Unvoreingenommenheit vieler Discovery-Enthusiasten, die nun über diese Serie den Zugang zu Star Trek finden. Einer kleinen (und vielleicht etwas unrepräsentativen) Erhebung meinerseits finden einige Zuschauer ohne das Vorwissen der Alt-Fans die plötzlichen Verknüpfungen ungleich beeindruckender. Es herrscht eine eher positive Grundstimmung bei jenen vor, die eben nicht von Spoilern verdorben, vom Kanon voreingenommen oder den Wegfall von liebgewonnenen Traditionen betroffen sind.
Auch wenn man Discovery nicht allzu offen gegenüber steht, muss man der Serie doch zugestehen, dass sie vielen Neu-Trekkies einen breiten Zugang zu einem riesigen Universum verschafft.



Kanonbrüche und Logiklöcher.
Die meisten Bauchschmerzen bereiten mir Pilze.
Jedenfalls die, mit denen die USS Discovery durch Raum, Zeit und Dimensionen reist.
Inzwischen habe ich mich einigermaßen auf die Idee eines nicht nur galaxie-, sondern sogar universen-umspannenden Netzwerkes gewöhnt, aber diese Folge hat mehr Fragen aufgeworfen als sie beantworten konnte.
Sind die Pilze eine empfindungsfähige Lebensform wie Gomtuu, die Stamets deshalb bewusst eine vertraute Umgebung schafft?
Oder ist es so eine Art Nexus, in der sich jeder an Orte, Personen oder Momente zurückversetzen kann, der in diese Umgebung gerät?
Wie kann es den Geist Stamets in sein Spiegeluniversumsgegenstück verfrachten?
Wird es von der roten Pilzfäule zerfressen oder vernichtet es Stamets am Ende selbst, um die bösen Spiegeluniversumsmenschen davon abzuhalten, mit dieser Technologie nicht nur das eigene Universum, sondern auch andere Realitäten zu unterjochen?
Während die Beantwortung derlei Fragen noch im Rahmen der übrigen drei Folgen geschehen könnte, wundern mich andere Ungereimtheiten noch viel mehr.
Warum zu Teufel sollen die Spiegeluniversumsmenschen eine Lichtempfindlichkeit aufweisen?
Immerhin waren die Innenbereiche der ISS Enterprise in "Ein Paralleluniversum" nicht minder gut ausgeleuchtet als ihre Entsprechungen auf der USS Enterprise!
Da haben die Schreiber urplötzlich ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert, dass zwar praktischerweise ihre eigene Handlung stützt, aber doch sehr bemüht ist, wenn man sich andere Spiegeluniversumsfolgen ansieht.
Warum ist im Spiegeluniversum eigentlich niemand so vielschichtig wie Lorca, sondern bestenfalls eine dumme Version seiner selbst?
Warum hat Saru beim Scan des Spiegeluniversums eigentlich nicht mitbekommen, dass die Quantenvarianz Lorcas mit diesem Universum übereinstimmt?
Woher hat L'Rell ihr neuro-chirurgisches Werkzeug, mit dem sie Tyler behandelte?
War das Sternenflotten-Equipment oder lagen diese Gerätschaften in der Handtasche, die man ihr beim An-Bord-Beamen abgenommen hat?


IV. Synchronisation.
Wie man am eingangs aufgeführten Beispiel erkennen kann, ist die recht gut ausgefallen. Benjamin Stöwe war wohl zum letzen Mal (?) zu hören und auch wenn der Wechsel von Siezen und Duzen mitunter etwas anstrengend war, bietet die deutsche Übertragung tatsächliche eine Alternative.

V. Fazit.
Die dreizehnte Episode Discovery ist vor allem etwas für Zuschauer, die sich noch überraschen lassen können und sich im Vorfeld nicht wilden Spekulationen zum Ausgang der Serie hingaben. Sie strotzt vor Logiklöchern, fragwürdigen Entwicklungen und provokativen Stilmitteln.
Auf der anderen Seite ist die kürzeste Episode aller Star-Trek-Fernsehserien (wie klammern TAS an dieser Stelle getrost einmal aus) ein Musterbeispiel solider Handwerkskunst, das vielen seiner Darsteller die Möglichkeit zu Entfaltung bietet und neben einigen vielleicht fragwürdigen Entscheidungen auch den ein oder anderen Lichtblick bietet.


Bewertung.
Schwarz-Weißer Twist-Tanz.






VI. Schluss.

"Blindes Verlangen" gibt nicht nur Antworten. Klar wir wissen jetzt, dass Tyler und Voq so eine Art siamesischer Zwilling sind und dass Lorcas großes Geheimnis sein supergeheimer Reisepass aus dem Spiegeluniversum ist.
Aber statt sich damit zu begnügen werden so kurz vor Toreschluss noch munter weitere Fässer aufgemacht.
Stamets zum Beispiel, der nicht nur im falschen Bett, sondern auch im falschen  Körper aufwacht.
Oder L'Rell, der man im Angesicht der jüngsten Entwicklungen kaum mehr glauben mag, dass ihr geliebter Voq und damit auch die letzte Hoffnung auf Einheit im klingonischen Reich gestorben sein soll.
Oder ob Saru jemals erfahren wird, dass Burnham nunmehr eine ziemlich klare Vorstellung davon hat, wie seine Spezies geschmacklich daherkommt.
Auf jeden Fall hat Discovery jetzt schon einen Punkt erreicht an dem es sich lohnt, die alten Folgen noch einmal anzusehen, um verpasste Zusammenhange zu erkennen.
Und wer weiß?
Vielleicht stolpert man bei dieser Recherche ja auch auf Andeutungen, die den ein oder anderen Hinweis auf bislang unbeantwortete Fragen liefern…



Denkwürdige Zitate.

"Manch einer würde sagen: Das Glas ist halbvoll…"
Gabriel Lorca

"Hatten Sie noch nie Angst vor Geistern?"
Michael Burnham zu Lorca

"Was ist das hier? Bin ich tot? Ist das das Jenseits? Bist Du eine Art selbstverliebter Vergil, der mich zum jüngsten Gericht führt?"
Paul Stamets zu Paul Stamets

"Lords des Imperiums! Privilegierte Gäste! Lang lebe Ihre imperiale Majestät, Mutter des Vaterlandes, Lehnsherr von Vulkan, Dominus von Qo'noS, Regina Andoriae! Lang lebe der Imperator, Philippa Georgiou Augustus Iaponius Centaurus!"
Ankündigung der Imperatorin

"Wenn Du denkst, ich verbeug' mich vor Dir, kannst Du das vergessen!"
Lorca zur Imeratorin Philippa Georgiou

"Es gibt so viel zu bereden. Und alles wird wieder so wie früher…. Tochter!"
Georgiou zu Burnham

"'Philippa' nennst Du mich jetzt schon? Es ist nicht lange her, da hast Du mich noch 'Mutter' genannt!"
Georgiou zu Burnham

"Zumindest willst Du mit Anstand abtreten. Ich liebe Dich wirklich sehr, Michael, und ich würde niemals irgendeinem anderen in diesem Reich die Möglichkeit eines schnellen Todes gewähren."
Georgiou zu Burnham

"Unsere Verbindung ist wohl so stark, dass sie Universen überschreitet."
Burnham zu Georgiou

"Lord Eling, können Sie ein Geheimnis bewahren?"
"Ja, Imperator!"
"Gut, Schaffen Sie die Leichen weg und verlieren Sie kein Wort hierüber, dann mache ich Sie zum Statthalter von Andoria…"
"Ja, Imperator!"
Georgiou und Lord Eling

"Du und Deinesgleichen seid gefährlich. Die Föderation! […] Ihr redet von Gleichheit, Freiheit, Kooperation…"
"Die Grundpfeiler einer jeden erfolgreichen Kultur…"
"Ballast, den wir vor Jahrtausenden abgeworfen haben! Zerstörerische Ideale, die Rebellionen befeuern und ich werde nicht zulassen, dass sie uns erneut infiziert [sic]."
Georgiou und Burnham

"Die Sternenflotte, wie sie leibt und lebt! Sie würden Dich niemals zurücklassen, Dich und Deinen Captain. Regeln, nach denen man lebt… und für die man stirbt!"
Georgiou zu Burnham

"AvaIhr Name war Ava. Und ich hab sie gemocht. Aber was soll ich sagen? Dann hab ich was besseres gefunden…"
Lorca

Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"


Mittwoch, 17. Januar 2018

Turons Senf zur elften Folge Discovery


Spoilerwarnung.

Diese Rezension enthält massive Spoiler zur aktuellen Discovery-Folge "Der Wolf im Inneren". Es empfiehlt sich daher, diese und sämtliche vorherigen Folgen gesehen zu haben, bevor man mit dem Lesen fortfährt.



I. Einleitung.
Da hat mir doch tatsächlich jemand vor einigen Tagen die Pistole auf die Brust gesetzt und im Zuge eines Radio-Interviews gefragt, wie ich die neue Star-Trek-Serie Discovery eigentlich finde. Ich druckste herum, kratzte sinnfreie Worthülsen zusammen und gab letztendlich ein erstaunlich unverfängliches Statement.
Wenig später habe ich mich gefragt, warum ich eigentlich so reagiert habe.
Der Hauptgrund mag darin liegen, dass ich bislang schlichtweg noch nicht weiß, wohin die Serie führt. Ich habe jetzt einfach noch keinen Schimmer, ob die Prämisse der Serie mich zur Ausstrahlung der letzten Episode noch ansprechen wird, ob die Fortschritte in der Erzähltechnik am Ende die krassen Designbrüche rechtfertigen werden oder ob es nicht noch unbekannte Entwicklungen geben wird, die mich enttäuscht zurücklassen werden.
So hangle ich mich – irgendwo zwischen banger Furcht und brennender Neugier - von Folge zu Folge und vermeide eine direkte Antwort auf die Frage, wie ich Discovery denn finde so lange, bis ich meine Befürchtungen, Wünsche oder Prophezeiungen erfüllt sehe.
Oder eben nicht.


II. Story
Der Spiegeluniversumsalltag holt Captain Michael Burnham an Bord der ISS Shenzhou ein. Zwischen ihren Tagesroutinen wie gelangweilt auf dem Captains-Stuhl zu sitzen, Untergebene zu exekutieren oder sich Baden zu lassen, gewöhnt sie sich immer mehr an ihre Position, ihre Rolle und ihre Autorität und wird ein wenig aus dem Trott gerissen, als sie damit beauftragt wird, einen hochrangigen Rebellenführer in seinem Hauptquartier niederzumetzeln.
Umgehend treten Burnhams Sternenflotteninstinkte wieder zu Tage, denn die aus der Not geborene Widerstandsgemeinschaft aus Klingonen, Andorianern und Vulkaniern ist in diesem Universum so ziemlich der einzige Hort von Ideen, der den Föderationsidealen von Zusammenarbeit, Austausch und Miteinander wenigstens im Ansatz nahekommt. Sofort wittert sie eine Chance, die Aufständischen zum Wohle ihres eigenen Universums zu nutzen und verwässert die Befehle ihres gesichtslosen Imperators so lange, bis dieser persönlich auftaucht und die Maske des Schweigens fallen lässt…


III. Lobenswerte Aspekte.


Charaktermomente.
"Der Wolf im Inneren" markierte die Rückkehr zur Perspektive Michael Burnhams und so wirkt es wohl nicht weiter verwunderlich, ihr die Pole-Position unter den Startern dieser Episode zuzugestehen. Sonequa Martin-Green spielt den von Eindrücken überschwemmten Charakter mit einer beneidenswerten Souveränität, vor allem wenn man bedenkt, dass sie sich in einer Tragödie griechischen Ausmaßes den Geistern der vergangenen Weihnacht (Sarek), der jetzigen Weihnacht (Georgiou) und der zukünftigen Weihnacht (Voq-Tyler) stellen musste. Ihr gelingt vor allem aber die Gratwanderung zwischen ihrer eigenen Welt und dem Spiegeluniversum, ohne sich in ihrem eigenwilligen Lösungsansatz nennenswert beirren zu lassen.
Die Reste des Casts sind bei Lichte besehen bessere Statisten. Fraglos spielt sich auch Shazad Latif den inneren Wolf von der klingonischen Seele, aber am Ende wirkt sein Coming Out doch etwas zu flach nach allem, was er für sein Ziel (was auch immer es gewesen sein soll) erdulden musste. Mein ganz persönlicher Höhepunkt war allerdings sein ungleicher Kampf mit sich selbst, der in seiner handgreiflichen Auseinandersetzung mit Mirror-Voq von der bloßen Metapher zum lebendigen Szenenbild mutierte. Immerhin eine schöne Idee, die man an dieser Stelle einmal lobend erwähnen sollte.
Ähnlich verhält es sich mit Tilly, Sarek oder Stamets. Fraglos agieren sie alle auf höchstem Level, aber ihnen fehlt der nötige Platz, um ihre Fähigkeiten angemessen zur Schau stellen zu können.
Immerhin bot sich Saru – vor allem in seinem etwas stark vom Grotesken geprägten Spiegelbild – und Detmer etwas Raum an, ohne dass die beiden Darstellungen allerdings einen Eindruck hinterließen, der vorherigem Lob nochmals die Krone aufsetzen würde.


Moral.
Wie bereits in der letzten Rezension beschrieben ist das Spiegeluniversum eine Sackgasse. Es ist das immer gleiche Lied vom ständigen Gegensatz des eigenen Seins mit den Umständen, die es geformt haben (vergleiche Denkwürdige Zitate). Das war in der Originalserie zweifelsohne mal eine nette Idee, aber schon bei Deep Space Nine oder Enterprise hatte sich dieser Topos erschöpft. Nachdem bereits "Nur wegen Dir" einen ähnlichen Weg einschlug muss ich nun eingestehen, dass es dieser Folge gelingt, das Spiegeluniversum um einen neuen Aspekt zu bereichern, der dennoch den traditionellen Interpretationsansätzen nahesteht. Es ist die gelungene Gratwanderung zwischen Neuinterpretation und Vergangenheitshörigkeit.
Dies liegt vor allem im Mix zweier grundlegender Aspekte begründet.
Zum einen ist Michael Burnhams standfester Glaube an die Prinzipien und Ideale von Föderation und Sternenflotte selbst in einer so düsteren Umgebung wie dem Spiegeluniversum nicht zu erschüttern.
Auf der anderen Seite versucht sie aber auch nicht, sich im sinnfreien Versuch zu verrennen, die verrohte Menschheit des Spiegeluniversums auf den rechten Weg zurückzuführen, sondern erkennt ihre Werte und Überzeugung auf Seiten der Rebellion wieder. Sie findet Inspiration in einer aus der Not geborenen Allianz aus Klingonen, Tellariten, Andorianern und Vulkaniern als alternative Interpretation der Föderation und fegt ganz nebenbei den recht homozentrischen Gedanken vom Tisch, dass es die Menschen sind, die der Föderation ihren Stempel aufdrücken. Stattdessen rückt sie die Idee von Kooperation, Demokratie und Völkerfreundschaft als universelles Leitmotiv in einen Mittelpunkt, der von allen Seiten getragen wird, wenn die Umstände es zulassen.
Ganz nebenbei findet sie darin sogar eine Lösung für die Konflikte ihrer eigenen Welt und einen Ausweg aus dem Krieg mit den Klingonen.
Gerade in diesem Punkt ist den Autoren gelungen eine eigene Utopie nachzuzeichnen, die in bester Star-Trek-Tradition steht, ohne unaufhörlich auf den altbekannten Motive herumzureiten.


IV. Kritikwürdige Aspekte.

Folgenanlage.
Fraglos ist es den Autoren gelungen, dem Spiegeluniversum eine clevere Daseinsberechtigung zu verleihen, aber der Preis dafür war erschreckend hoch.
So fällt auf, dass diese Episode knallhart mit ihrem Vorgänger bricht und das obwohl Jonathan Frakes sich sichtbar Mühe gegeben hat, eine ganze Reihe von Brücken zu bauen, von denen man bequem die Fahrt fortführen hätte können.
Aber nichts da; stattdessen werden die Karten neu gemischt und eine völlig neue Geschichte rückt in den Mittelpunkt, ohne sich thematisch allzu sehr um vorherige Cliffhanger zu kümmern. Wozu hat man sich überhaupt die Mühe gemacht Lorcas unerwartetes (und Burnhams Befehlen widersprechendes) Martyrium in der Agoniezelle zum dramatischen Abschlussbild der Folge zu stilisieren, wenn dieser Umstand letztendlich bestenfalls in einigen Nebensätzen Erwähnung findet?
Größer noch ist allerdings der Sprung von Multiperspektive zur Monoperspektive. Ohne Frage ist dies eine Burnham-Episode, in dem niemandem so viel Platz gelassen wird wie Sonequa Martin-Green. Zwar gibt es auch den ein oder anderen Ansatz für Tilly, Tyler oder Saru – aber auch wenn diesen zarten Anklängen von alternativen Handlungssträngen eine gewisse Bedeutung zukommt, verblassen sie doch im übergroßen Schatten der Hauptfigur. Schlimmer noch: Den knappen, übrig gebliebenen Platz müssen sich Stamets, Lorca und Co. auch noch mit lange nicht mehr gesehenen Gesichtern wie Sarek, Voq, T'Kuvma und sogar Captain/ Imperator Georgiou teilen. Und auf Spiegeluniversumscharaktere wie Killer-Detmer oder Schaumbad-Saru sei nur am Rande verwiesen.
Die Figurenbreite ist schlichtweg zu umfangreich und es fehlen eigentlich nur Mudd, Cornwell und L'Rell, um den Reigen der mehr oder weniger wichtigen Rollen der gesamten Serie endgültig vollzumachen. Im Endeffekt leiden an dieser Fülle die Nebenhandlungsstränge, die nur sehr sporadisch eingeworfen werden, um den roten Faden fortzuführen (so umfasst der wohl für die weitere Story wichtige Tilly-Stamets-Strang nur vier magere Szenen).


Im Hinblick auf die Spannung gelang es ebenfalls nicht in nennenswerter Weise Ausrufezeichen zu setzen (wenn man mal von einem Vorspann absieht, der erst nach knapp einer Viertelstunde einsetzt). Dass sich hinter Tylers Trauma-gebeugter Gestalt niemand anderes als Voq verbirgt, war spätestens seit "Nur wegen Dir" klar und dass es Michael Burnhams Dilemma vergrößern würde, wenn ihr früher idolisierter Captain Philippa Georgiou zum Imperator gekrönt würde, hat auch niemanden in meinem Dunstkreis wirklich vom Hocker gerissen. Tatsächlich hätte ich mir hier etwas mehr Mut von den Schreibern erhofft, denn ein Harry Mudd auf dem Thron des Terranischen Imperiums hätte der Folge eine in meinen Augen ungleich überraschendere Wendung beschert.
Hinzu kommt der immense Forderungskatalog, dem "Der Wolf im Inneren" aufgrund seiner Sendeposution kurz vor Staffelende nachkommen musste.
Es war überfällig, Tyler als Voq zu enttarnen.
Der gesichtslose Imperator musste sein Antlitz offenbaren.
Stamets medizinischer Zustand steht noch immer in den Sternen.
In Anbetracht der Tatsache, dass uns nunmehr lediglich vier weitere Folgen bleiben um die Auswirkungen dieser und anderer Entwicklungen (z.B. der Krieg mit den Klingonen, Lorcas Intrigenspiel, das Scheitern des Sporenantriebs) zu thematisieren, kann man sich problemlos ausmalen, was für ein Husarenritt den Zuschauern innerhalb des nächsten Monats bevorsteht.




Logiklöcher und Kanonbrüche.
Es ist beileibe nicht alles doof in dieser Folge. So freute es mich, dass die Verantwortlichen sich den Spiegeluniversumsbart für Sarek aufgehoben haben. Die kurze schematische Darstellung des Inneren eines Klingonen war nicht weniger bemerkenswert. Und ich bin recht dankbar, dass das Make-Up-Make-Over für die Andorianer und Tellariten vergleichsweise milde ausgefallen ist.
Aber eine Sache störte mich dann doch massiv.
Während mich an den Abramstrek-Filmen unter anderem nervt, dass dort mit dem Transwarp-Beamen und den Superheilungskräften des Augment-Blutes hanebüchene Logikfehler bequemerweise mit Zauber-Elmenten zugeschüttet wurden, die nun jedoch in Abrede stellen, warum sich z.B. Picard in "Geheime Mission auf Celtris III" nicht einfachin den Föderationsraum zurückbeamt oder Tasha Yar in "Die schwarze Seele" überhaupt von Armus getötet werden konnte, hat Discovery nun geschafft, diese großen Schuhe thematisch ebenbürtig auszufüllen.
Mit dem rätselhaften und nur mäßig erforschten Myzel-Netzwerk verfügt man jetzt seinerseits ein Plot-Device, dass nicht nur große Entfernungen plötzlich überwinden kann, sondern auch in der Lage ist, verstorbene Crew-Mitglieder von den Toten auferstehen zu lassen.
Das ist eine bedenkliche Traditionslinie und es bleibt nur zu hoffen, dass dieser ganze Pilzantrieb so schnell wieder aus dem Star-Trek-Universum verschwindet, wie er sich dort vor einigen Folgen erst eingenistet hat.
Ansonsten gibt es selbstverständlich auch hier eine ganze Reihe merkwürdiger Ungereimtheiten.
So widersprechen die Verhüllungsfähigkeiten des Rebellenlagers der Aussage in "Die Tarnvorrichtung", dass den Klingonen dieser Realität die Tarntechnologie völlig unbekannt sei.
Überhaupt wirkt dieser ganze Föderationsvergleich (so schön er auch ist) etwas bemüht; vor allem wenn man sich vor Augen hält, dass die Allianz im Prinzip ein ähnlicher Haufen verbrecherischer Brutalos ist wie das Terranische Imperium und mit Tuvok sogar ein Vulkanier auf Seiten der Menschen kämpfen wird.
Ferner verwundert mich, dass Chekov anno dazumal für den Tötungsversuch an seinem Captain in eine Agoniezelle gesperrt wurde, während Tyler gleich zum Sterben ins All gebeamt wurde.
Immerhin war das für den Plot relevant.
Allerdings erklärt das nicht, warum die Discovery zufällig in Transporterreichweite war, als Tyler ins All veerfrachtet wurde, zumal das Schiff zu Beginn der Folge definitiv noch im selben Trümmerfeld herumdümpelte, in dem es bereits seit Anbeginn des Spiegeluniversumsabenteuers vor Anker lag.
Wie kamen das Schiff dorthin?
War es vielleicht doch mit der Shenzou im Orbit von Halkar?
Und warum nimmt die Imperatorin keine Notiz von der Discovery?


V. Synchronisation.
Die ist an und für sich ganz okay, wenn man mal von den typischen Übertragungsschwierigkeiten wie dem Duzen und Siezen absieht, die vor allem dann etwas deplatziert wirken, wenn irgendwann Burnham den Voq in Tyler zu siezen beginnt.
Ansonsten aber gibt es sogar den ein oder anderen Pluspunkt:
Detmers Stimme etwa wirkt im Deutschen deutlich lebendiger als im englischen Original.




VI. Fazit.
Zu den besten Folgen der Serie zählt "Der Wolf im Inneren" vielleicht nicht, aber sie kann sich definitiv den Verdienst auf die Fahne schreiben, dass Spiegeluniversum durch eine Deutungsebene bereichert zu haben. Die Burnham-zentrierte Episode glänzt vor allem mit Momenten für ihre Hauptfigur und treibt die Handlung voran.
Und dennoch bleibt ein schales Gefühl zurück, weil die Folge sich erzählerisch übernommen hat, die Fehler J.J. Abrams wiederholt und auch sonst innere Schlüssigkeit oft genug vermissen lässt. Im Vergleich zu ihrem Vorgänger hinkt die Folge jedenfalls etwas hinterher.

Bewertung.
Ein etwas anderer Zugang zum Spiegeluniversum.






VII. Schluss.

Auch dieser Folge gelang es nicht in nennenswerter Weise, meine Entscheidungsfindungsphase nennenswert zu beeinflussen.
Im Gegenteil!
Zwar bot sie endgültige Auflösungen in einigen zentralen Handlungssträngen, aber nichtsdestotrotz sind wir von der endgültigen Auflösung noch immer meilenweit entfernt.
Und das vier Folgen vor Ende der ersten Staffel.
Darin liegt natürlich eine gewisse Spannung auf den Ausgang, die man durchaus als positiv werten kann. Inhaltlich aber ist es nicht gerade hilfreich ein Urteil über eine Serie zu fällen, die sich bis zum Schluss davor scheut, sich tiefer in die Karten blicken zu lassen.
So werden werde ich wohl erst im Februar eine Position beziehen können, die mehr umfasst als Sympathie, vorsichtiges Wohlwollen oder verhaltenen Unmut.


Denkwürdige Zitate.
"Ein… ein Sklave hat keinen Namen."
Mirror-Saru

"Wir alle sind Menschen. Wir haben alle die gleichen Triebe, die gleichen Bedürfnisse. Vielleicht weiß niemand von uns, aus welcher Welt er auch kommen mag, welche Dunkelheit in uns allen lauert.
"
Michael Burnham

"Ein totalitäres Regime ist naturgemäß ein ängstliches Regime."
Saru

"Manchmal rechtfertigt das Ergebnis furchtbare Mittel."
Gabriel Lorca

"Bitte, Sir, ich trage zwar kein Abzeichen mehr, aber ich gehöre zur Sternenflotte. Bitte zwingen Sie mich nicht, diese Koalition der Hoffnung zu vernichten."
Burnham zu Lorca

"Jede Schlacht hat zwei Seiten."
Burnham

"Du hast gesagt, ich wäre Deine Halteleine. Ash, ich brauche auch eine!"
Burnham

"Wir sind in einer archaischen und grausamen Welt gestrandet, aber wir sind immer noch die Sternenflotte. Wir leben und sterben immer noch nach ihren Gesetzen – wie abscheulich Ihre Verbrechen auch sein mögen."
Saru

Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"


Mittwoch, 10. Januar 2018

Turons Senf zur zehnten Folge Discovery


Spoilerwarnung
.
Diese Rezension enthält ausführliche Einblicke in die zehnte Star-Trek-Discovery-Folge "Despite Yourself". Wer diese oder vorangegangenen Folgen noch nicht gesehen hat, sollte an dieser Stelle unbedingt aufhören zu lesen.


I. Einleitung.
Eines, was man der aktuellen Star-Trek-Serie "Discovery" auf jeden Fall zugutehalten muss ist, dass sie Trekkies erstmals in der Geschichte der Franchise massenhaft dazu animiert, ausgiebige Background-Theorien, mikroskopisch kleine Verdachtsmomente und fantasievolle Plot-Vorhersagen zu formulieren, zu diskutieren und im Internet zu verbreiten. Im Zusammenspiel mit der Nachbesprechungs-Show "After Trek" hat dieser Umstand eine blühende Einzelfolgenreflektionskultur aus dem Boden gestampft, wie sie zuvor völlig unbekannt war – wahrlich neue Welten sozusagen.
Einige dieser Theorien sind mittlerweile zu Grabe getragen. Andere, wie zum Beispiel der Umstand, dass Tyler und der klingonische Spion Voq ein und die selbe Person sind, sind mit der aktuellen Folge Fakt geworden. Aber statt sich auf dem bislang Erreichten auszuruhen, gibt auch "Despite Yourself" statt zahlreichen Antworten eher noch mehr Fragen auf, über die sich die Fanscharen die Köpfe zerbrechen können…


II. Story.
Gestrandet irgendwo im galaktischen Nirgendwo versuchen sich Captain Gabriel Lorca und die Crew der USS Discovery in einer völlig neuen Umgebung zu orientieren. Nach einem kurzen Intermezzo mit einem aggressiven vulkanischen Schiff gelangt die Mannschaft rasch zur Erkenntnis, dass man in ein düsteres Spiegeluniversum verschlagen wurde, in dem eine düstere Version der Menschheit der Milchstraße eine düstere Terrorherrschaft aufzudrücken versucht.
Auf der verzweifelten Suche nach einem Weg in ihre Heimatzeitlinie ersinnen Michael Burnham und Lorca einen verwegenen Plan:
Sie wollen ihre finsteren Alter Egos nutzen, um sich Zugang zu geheimen Informationen über die gleichfalls hier gestrandete USS Defiant zu verschaffen, die eine sichere Passage zurück versprechen. So findet sich Burnham einen halsbrecherischen Plan später auf der ISS Shenzhou wieder, wo sie nicht nur den grausamen Umgangsformen dieser Realität genügen, sondern mit ihrem immer fragiler auftretenden Liebhaber Ash Tyler einen Unsicherheitsfaktor ausgleichen muss…

III. Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.
In dieser Folge bleibt "Discovery" der Multiperspektive treu, wodurch es insgesamt fünf Figuren gelingt, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Ganz oben auf der Liste steht mal wieder der Name Gabriel Lorcas, auch wenn sein Charakter noch immer nicht wirklich zu fassen ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch, dass er so vielschichtig daherkommt wie nach ihm kein zweiter im restlichen Cast, denn er spielt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Rollen:
Als ränkeschmiedender Intrigant füttert er Burnham und Saru gezielt mit falschen Informationen, zieht als scheinbar geläuterter Regelfetischist Doktor Hugh Culber von seinem Partner Paul Stamets ab, wirft immer wieder plötzliche Selbsteinsichten um das eigene falsche Handeln ein und ersinnt schließlich eigenständig eine höchst waghalsige Selbstmordmission, bei der man sich nur schwer vorstellen mag, dass es allein um die Sicherstellung unbekannter Informationen geht.
Einmal mehr wagt er die am Ende überraschend glaubwürdige Gratwanderung zwischen einem Captain und einem Fanatiker, der auch mal seinen Kopf zwecks Glaubwürdigkeit an einer Wand blutig schlägt und sich in einer Agoniezelle wiederfindet, die in Anbetracht des nahen Staffelendes wohl nur der Anfang seiner wirklichen Leidenszeit bedeuten dürfte. Symptomatisch kann definitiv sein Statement "Und ich hatte gehofft, hier eine bessere Version von mir selbst zu finden." zu Protokoll gegeben werden, was bei aller vermeintlichen Flachserei nicht eines gewissen Körnchens Wahrheit entbehrt.


Erst nach ihm kann Michael Burnham als eigentlicher Serien-Star ins Feld geführt werden. Während sie anfangs eine eher untergeordnete und passive Rolle spielt, steigert sie sich ab jenem Moment, an dem sie die sichere Discovery verlässt, um an Bord der ISS Shenzou den Geistern ihrer Vergangenheit zu begegnen. Ihren zweifellos größten Moment hat der Charakter, als sie zum zweiten Mal Danby Connor beim Sterben zusehen muss – und dieses Mal gezwungen ist, den Dolch eigenständig in den Körper des jungen Mannes zu rammen. In großartiger Manier zeigt sie inmitten einer von Brutalität beherrschten Umgebung eine schmerzhafte Menschlichkeit, die mehr als jede Dialogzeile den Gegensatz zwischen ihrer Zeitlinie und dem Spiegeluniversum verdeutlicht.


Zu den Gewinnern wird man wohl auch Sylvia Tilly zählen können, die eine ähnliche Transformation durchmacht: Während sie zu Beginn eher als billiger Gag-Lieferant dient, entwächst sie durch die erzwungene Inbesitznahme des Kommandostuhls ihrer verantwortungsarmen Kadettenrolle und muss einen Teil der Handlung auf ihren Schultern tragen. Das lohnt sich vor allem für die Schauspielerin Mary Wiseman, die an dieser Stelle einmal durchschimmern lassen konnte, zu was für einer Darstellungsbandbreite sie fähig ist.


Auch Tyler erreicht endlich jenen Punkt, auf den er seit seiner Platzierung in der Serie hingearbeitet hat: Er offenbart sich als Voq – auch wenn  dieser Verwandlungsprozess beileibe nicht so reibungslos über die Bühne geht wie von L'Rell geplant. So leidet der vermeintliche Sicherheitsoffizier an den Nachwehen der eigenen Selbstfindung und Shazad Latif spielt diese Zerrissenheit mit allen Höhen und Tiefen so grandios, dass man als Zuschauer zwischen Abscheu, Mitleid und Schock schwebt. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die allerdings am Umstand leidet, dass der Shockfaktor dieser Enthüllung durch die Spürnase zahlreicher Anhänger bereits im Vorfeld bis zur Unkenntlichkeit abgemildert wurde.



Last but not least bleibt Doktor Hugh Culber zu nennen, der in dieser Folge plötzlich so viel Platz erhält wie nie zuvor (und ihn auch in einigen beeindruckenden Szenen auszunutzen versteht). Sein überraschender Tod, der das Versprechen auf ein "Game of Thrones" im Star-Trek-Gewand nochmals einlöst, erfährt nun von vielen Seiten massive Schelte.
Auf der einen Seite etwa steht die Kritik, dass damit ein Klischee bedient würde, das homosexuellen Paaren auf der Mattscheibe kein anhaltendes Glück vergönnt sei.
Andere wiederum beschweren sich, dass Culbers plötzliches Ableben vor allem deshalb keinen Sinn hätte, weil er für die Handlung keinen Beitrag leistete und ohnehin nur ein kleinerer Nebencharakter gewesen sei.
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen, auch wenn ich an dieser Stelle einmal einwerfen will, dass der Tod nicht wählerisch ist. Tylers Kapitalverbrechen war aus seiner Perspektive durchaus nachvollziehbar, im Vergleich zu anderen Main-Cast-Abberufungen (ich erinnere nur an Tasha Yar, Jadzia Dax oder Trip Tucker) dramaturgisch sinnvoller eingearbeitet und drehbuchtechnisch werden mit seinem tragischen Ableben die Karten noch einmal neu gemischt. Die Figurenbeziehungen werden urplötzlich wieder auf den Kopf gestellt und ein anderes großes Versprechen, dass die Produzenten vor Serienstart gaben, erhält neuen Aufwind:
Konflikten zwischen den Charakteren mehr Raum zu gewähren.
Insofern mag der Abgang des Mediziners sicher mehr Schockmoment geboten haben als die Enthüllungen um Tylers Identität, doch sie bergen genug Potential, um den eigenen Ansprüchen der Serie gerecht zu werden. Und allen, die diesen unerwarteten Mord noch nicht verdaut haben, sei an dieser Stelle verraten, dass die Produzenten bereits offen angekündigt haben, dass Doktor Culber mitnichten "hundert Prozent tot" sei.
Der Fokus auf diese fünf Stützen der Episode lässt natürlich andere Figuren etwas in den erzählerischen Hintergrund abdriften. In diesem Zusammenhang sind zweifelslos L'Rell, Paul Stamets, Connor oder Saru zu nennen, auch wenn es ihnen gelingt, in der wenigen Zeit, die ihnen vergönnt blieb, kleinere Ausrufezeichen zu setzen. Im Orchester der Großen spielen sie aber dennoch nur die zweite Geige.


Location, Location, Location!
Tadaa! Das Spiegeluniversum.
Zugegeben; "Despite Yourself" symbolisiert in puncto Handlungsort wohl eher etwas Zucker für die Fans, der in erster Linie dazu dient, eine Nostalgie und Faszination heraufzubeschwören, der sich vor allem altgediente Fans nur schwer entziehen können. Das Spiegeluniversum gehört zu den Lieblingsschauplätzen der Star-Trek-Anhänger und seine Popularität erstreckt sich nicht umsonst über mehrere Star-Trek-Serien hinweg.
Diesen Zauber lenkt die Leidenschaft der Fans in lediglich zwei mögliche Richtungen:
Entweder man hasst diese Folge, weil sie mit den vorherigen Exkursionen in diese Zeitlinie nicht konkurrieren kann oder man ist so angetan vom sentimentalen Déjà-Vu-Erlebnis, dass man über die vielen Unzulänglichkeiten (das veränderte Imperiums-Symbol, die nie zuvor erwähnte Union von Andorianern, Vulkaniern und Klingonen sowie der viel weniger aufreizende Kleidungsstil) hinwegschauen kann.
Ich persönlich tendiere dazu, die Visualisierung des Spiegeluniversums (trotz ihrer Fehler) als durchaus gelungen zu betrachten, denn "Despite Yourself" gelingt es tatsächlich, das Feeling einer uns völlig gegensätzlich ausgerichteten Menschheit zu transportieren. Nicht ohne etwas Scham gestehe ich, dass mir noch immer das Herz pocht, wenn ein mir bekannter Charakter oder seine Entsprechung plötzlich die Hand von sich streckt und dem terranischen Imperium eine glorreiche Zukunft wünscht. Aber auch wenn ich im Grunde weiß, dass es nichts anderes ist, als ein Stück Zucker, dass mir vor die Füße geworfen wird, verfehlt das bei mir nicht die anvisierte Wirkung.
Aber die Empfindung eines von Nostalgie geblendeten Altfans ist nicht zwangsläufig ein Garant für Erfolg. Erfahrungsgemäß ist gerade für Neueinsteiger das ungewohnte Terrain dieser alternativen Zeitlinie holprig und vergleichsweise schwer zugänglich. Daher wird sich vor allem in der kommenden Folge zeigen müssen, wie es den Autoren gelingt, aus der anderen Seite des Spiegels mehr herauszuholen als die Erinnerungen an alte Folgen anderer Serien. Dort wird Discovery zeigen müssen, ob es in dieser Realität ebenso einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann, wie zuvor die Originalserie, Deep Space Nine und Enterprise.


Mut zur Lücke.
Die haben CBS und Netflix bereits bewiesen, indem sie zwischen der Ausstrahlung der vorangegangenen Folge und dieser eine so große Zeitspanne vergingen ließen. Der Rückblick war nach dieser langen Wartezeit daher absolut sinnvoll.
Mut zur Lücke kann man aber auch darin sehen, dass "Despite Yourself" weniger für sich allein, als vielmehr als erster Part eines klassischen Zweiteilers steht. Schon allein deswegen ist er eigentlich schwer zu bewerten.
Doch es gilt noch mehr zu erwähnen als nur Ausstrahlungsdetails, denn erstmals in der Geschichte Star Treks stirbt ein Mitglied der Main Crew durch die Hand eines anderen Mannschaftsmitgliedes, dessen Schauspieler im Vorspann namentlich erwähnt wird.
Da aber liegt in meinen Augen der Hauptverdienst der Folge. Sie erinnert uns durch die Lücke, die der Tod Culbers gerissen hat daran, dass (abgesehen von Burnham) kein Charakter davor gefeit ist, im Verlaufe einer Folge das Zeitliche zu segnen. Genau dieser Aspekt trägt für mich die Spannung der Serie und schüttelt jenes in Langeweile mündende Gefühl ab, dass den von Hauptdarstellern gespielten Figuren ohnehin nichts passieren kann (außer natürlich, die entsprechenden Schauspieler wollen am Staffelende aussteigen). Culbers Tod ist, auch wenn er vielleicht nicht zu den ganz großen Namen im Reigen der Hauptfiguren zählen mag, eine leise Erinnerung daran, dass ein ähnliches Schicksal früher oder später auch Lorca, Tyler oder Stamets ereilen kann.


Hommage an den Kanon.

"Die Vorstellung von Parallelwelten gibt es bekannterweise schon seit dem zwanzigsten Jahrhundert."
Gabriel Lorca

Stimmt.
Zum Beispiel wurde das Prinzip in dieser Epoche hinlänglich bei Star Trek behandelt!
Nein, (schlechter) Scherz beiseite, die Anspielungen auf den Kanon und vorangegangene Serien waren natürlich kaum zu übersehen – und dabei spreche ich noch nicht einmal von den typischen Ausstaffierungen für das Spiegeluniversum, die von Dolchen, erddurchbohrenden Schwertern oder Agonie-Zellen reichen.
Nein, es sind eher Elemente wie das an "Enterprise" angelehnte vulkanische Schiff, die an die Originalserie angelehnte gelbe Datenkarte Doktor Culbers oder die Wartungsfähre, die in ähnlicher Form meiner Erinnerung nach zum ersten Mal in der "Technik der USS Enterprise" zu sehen war.
Höhepunkt dieser spielerischen Verbeugungen war jedoch der schottische Akzent, mit dem der (aus Liverpool stammende) Brite Jason Isaacs hier an einen der bekanntesten Chefingenieure der Franchise erinnerte.
Star-Trek-Veteran Jonathan Frakes leistet mit seiner ersten Star-Trek-Arbeit seit zwanzig Jahren ein stabiles Regiedebüt, auch wenn er stilistisch an ein anderes Star Trek anknüpft. Frakes macht nämlich nahtlos da weiter, wo J.J. Abrams vor fünf Jahren aufgehört hat – inklusive Wackelkamera und Lensflares. Natürlich schafft er es auch, einige eigene Akzente zu setzen (z.B. der Transporterraumwechsel von der USS Discovery zur ISS Shenzou), aber thematisch schert er nicht in nennenswerter Weise aus der Inszenierungstradition heraus, die "Discovery" von Ausstrahlungsanfang an prägt.
Mein Lieblingsmoment ist übrigens ein vergleichsweise unauffälliger Augenblick.
Als nämlich Burnham an Bord der ISS Shenzou die Stiefel auszieht.
Was nach einer eher zufälligen Geste aussieht, ist für mein Empfinden eher clever iniszenierte Absicht, denn in der Originalserie gibt es ein einziges Mal eine ähnliche Szene (wenn auch gespiegelt) zu sehen. Als Kirk sich sein Schuhwerk in "Was summt denn da?" anzog, wollte man dem konservativ-christlichen Publikum in Amerika auf diese Weise subtil zu verstehen geben, dass Kirk gerade Sex mit der Scalosianerin Deela hatte. Es blieb – trotz der vielen angedeuteten Affären Kirks - die einzige derartige Andeutung bei Star Trek und ich glaube nicht, dass es sich um einen Zufall handelte, dass wir eine gespiegelte Version davon in "Despite Yourself" miterleben konnten, bevor Burnham und Tyler wild auf dem Bett des Captain herumknutschten (um kurz darauf ihre Jungfräulichkeit zu verlieren).
Sollte dies der Fall gewesen sein, so war es ohne Frage die bislang stilvollste Referenz auf die ursprünglichste aller Star-Trek-Serien.


IV. Kritikwürdige Aspekte.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Abgesehen von den üblichen Verdächtigen wie dem zeitlich unpassenden Schiffsdesign, dem nicht minder unpassenden Äußeren der Klingonen und der erst recht nicht zeitgemäßen Technologie (Zauberspiegel, Holokommunikation, holografische Bedienelemente), die in vorangegangenen Rezensionen zur Genüge besprochen wurden, komme ich auch dieses Mal nicht umhin zu bemerken, dass es wiederum reihenweise Logiklöcher und Kanonbrüche gibt.
Schon in der Anlage des Spiegeluniversums setzt sich die Ignoranz der Seriendesigner gegenüber den klassischen Vorbildern fort. Mal abgesehen von Killy-Tillys etwas arg kometenhaften Aufstieg - es gibt plötzlich eine nie angedeutete Allianz aus Andorianern, Vulkaniern und Klingonen, die scheinbar jener aus Klingonen und Cardassianern als Vorläufer dient. Der knappe Bekleidungsstil des Universums wurde durch eine rüstungsähnliche Montur ersetzt, die nicht nur weit weniger ansehnlich ist, sondern auch erahnen lässt, wie schwer der Fahrstuhlkampf zwischen Burnham und Connor für die Darsteller gewesen sein dürfte. Und das Symbol des Spiegeluniversum erhielt eine so drastische Rundumerneuerung, dass man die Traditionslinien zwischen Enterprise und TOS gleich mit ausradierte. Stattdessen trieb man die Verwendung von Spiegeln und Spiegelungen so sehr auf die Spitze, dass wirklich jedes Erdenemblem falsch herum ist (was wirklich keinen Sinn ergibt).



Den zweiten großen Knackpunkt sehe ich in der Constitution-Klasse. Die USS Defiant des Spiegeluniversum dürfte auf keinen Fall so aussehen, wie in "Discovery" gezeigt, da in der Enterprise-Doppelfolge "Im dunklen Spiegel" deutlich mehr Einfühlungsvermögen für die Optik des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts gezeigt wurde, als es jemals in dieser Serie der Fall war. Aber zum Glück könnte man sich ja so rausreden, dass es sich in Ermangelung von Informationen um Archivaufnahmen aus der eigenen Schiffsbibliothek handelte.
Daneben gibt es reihenweise Unstimmigkeiten in der Handlung, die an ihrer Glaubwürdigkeit zerren.
So erklärt sich mir trotz Schweigegelübdes nicht, warum Dr. Culber kein Sicherheitsteam anfordert, als er eine klingonische Manipulation bei Tyler feststellt. Mal ganz abgesehen davon, dass er zwar nicht der Chefarzt ist, aber trotzdem der einzige Mediziner auf der gesamten Krankenstation zu sein scheint.
Ebenso allein scheint Tyler auf der Brig der USS Discovery zu sein. Oder Tilly im Maschinenraum. Wer ist eigentlich der Chefingenieur in Abwesenheit Stamets'?
Zudem ist mir noch nicht so ganz klar, ob nun Tylers Persönlichkeit auf einen zum Menschen veränderten Voq liegt oder Voqs Persönlichkeit auf einem originalen Ash Tyler?
Falls ersteres der Fall ist: Warum erkennt der Medinziner Culber dann nicht bei seinen neuen, viel gründlicheren Scan die ursprüngliche DNA des Klingonen? Oder wurden sämtliche Knochen und (doppelten) Organe ausgetauscht?
Und falls zweiteres der Fall ist: Wozu muss ihm dann jeder Knochen gebrochen werden?
Es bleibt immerhin zu hoffen, dass zumindest die letzten Fragen in den kommenden Episoden zu unserer Zufriedenheit beantwortet werden…


Moralität.
So schön das Spiegeluniversum auch ist, so eintönig erscheinen inzwischen auch die durchgekauten Metaphern, die mit solchen Reflektionen einhergehen.
Was sind wir wirklich? Was macht uns aus?
"Despite Yourself", auf deutsch am ehesten "Abgesehen von Dir selbst", stellt diese Frage schon in seinem Folgentitel und entsprechend lässt sich dieses Motiv auch an den meisten Beteiligten ablesen.
Bei Burnham stehen sich Gegenwart und Vergangenheit gegenüber, bei Tyler duelliert sich eine menschliche mit einer klingonischen Hälfte um die Vorherrschaft, Stamets bewegt sich zwischen Zurechnungsfähigkeit und Wahnsinn und Lorcas Persönlichkeit hat so viele Facetten, dass man sie ohnehin nie klar fassen kann.
Über allem steht natürlich die Frage, die aufkommt, seitdem das Spiegeluniversum erstmals bei Star Trek eingeführt wurde:
Sind wir wer wir zu sein glauben oder ein Produkt der äußeren Umstände?
Sind die vermeintlich gegensätzlichen Identitäten wirklich so abwegig wie sie anfangs scheinen?
Diese Frage nach eigener Identität lässt sich am ehesten noch in Sylvia Tillys Erfahrungen ablesen.
Wirklich neu ist das allerdings nicht.
Wie bereits erwähnt wurden diese Fragen schon in anderen Spiegeluniversumsfolgen so ausführlich behandelt, dass sie inzwischen etwas hohl und verbraucht wirken.
Lorcas halbherziger Versuch, das Spiegeluniversum und die Rolle jedes Individuums an Begriffe wie Vorhersehung, Schicksal oder Bestimmung zu koppeln, wirkt in diesem Zusammenhang vergleichsweise bemüht und wiederspricht ein wenig dem gängigen Sujet Star Treks, dass jeder Mensch für sein eigenes Handeln eigenverantwortlich ist. Immerhin bildet Burnhams Opposition zu diesem Gedanken einen Lichtblick in Bezug auf kommende Episoden.


V. Synchronisation.
Die Zeichen stehen auf Abschied von Benjamin Stöwe, auch wenn nicht zuletzt wegen der deutschen Stimme zu hoffen bleibt, dass der Doktor noch einmal, zweimal oder gar noch öfter auftreten wird.
Ansonsten gibt die deutsche Synchronisation ein gemischtes Bild ab. Sie wechselt munter zwischen guten, holprigen und inhaltlich veränderten Übersetzungen, wodurch z.B. manche Dialoge vergleichsweise unbeholfen und bruchstückhaft wirken (z.B. in der Brig der Discovery oder im Bereitschaftsraum des Captains). Zudem geht der schottische Dialekt in der deutschen Übertragung traditionsgemäß völlig unter.
Desweiteren stört mich vor allem, dass die schlecht gewählten deutschen Episodentitel (wie kann man aus "Despite Yourself" allen Ernstes "Nur wegen Dir" machen?) nur selten rechtzeitig zur Erstausstrahlung der Folge zur Verfügung stehen. Das nervt nicht nur deutschsprachige Zuschauer, sondern auch Rezensenten. Ein wenig kommt der Verdacht auf, dass beim englischsprachigen Streamingdienst Netflix fremdsprachigen Inhalten keine größere Bedeutung beigemessen wird.


VI. Fazit.
"Despite Yourself" ist ein wahrer Leckerbissen vor allem für Altfans, der sich nicht darauf ausruht, Nostalgiegefühle zu schüren, sondern auch beginnt, entscheidende Entwicklungen aufzulösen. Die Episode glänzt mit einer Vielzahl von Charaktermomenten für Lorca, Burnham oder Tilly, liebevollen Querbezügen auf den Kanon und wagt es, kontroverse Entscheidungen zu treffen.
Gerade die Idee, einen der Charaktere kurz vor Zieleinlauf zu eliminieren ist ohne Frage mutig, aber definitiv nicht ohne ihren Reiz. So bemühen sich die Schreiber redlich, den eigenen Zielvorstellungen für die Serie zu entsprechen.
Dass sie dabei sprichwörtlich über Leichen gehen, zeigt sich aber auch darin, dass ihnen selbst das Spiegeluniversum nicht heilig ist. Auch ihm drücken sie den einen fragwürdigen Designstempel auf, allerdings ohne frische philosophische Ansätze zu formulieren. Viel vom Gelingen dieser Folge hängt jedenfalls vom Erfolg der nächsten ab, für die "Despite Yourself" eher als erster Teil dient.


VII. Schluss.
Nach dem Schauen ist vor dem Schauen.
Wieder sind der Spekulation Tür und Tore geöffnet.
Was treibt die Discovery derweil in der originalen Zeitlinie?
Wer könnte jener gesichtslose und grausame Imperator sein? (Georgiou natürlich)
Ist Stamets‘ Krankenbettgeflüster wirklich so zusammenhangslos, wie Culber behauptete? (natürlich nicht)
Stammt Lorca aus diesem Spiegeluniversum?
Und vor allem: Hat Lorca die USS Discovery mit Absicht ins Spiegeluniversum verfrachtet?
Wer geglaubt hat, dass den Mutmaßungen der Fangemeinde mit der Enthüllung der Identität Tylers ein Riegel vorgeschoben wurde, dürfte sich eines Besseren belehrt sehen. Stattdessen hebt sich "Discovery" die letzten Rätsel bis zum Schluss auf und bringt die Trekkies dieser Realität auf eine Art und Weise zusammen, wie nie zuvor.

Bewertung.





Ein Spaß für die gesamte Spiegeluniversumsfamilie!

Denkwürdige Zitate.

"Schön, dass Sie sich zu uns gesellen, Mr. Tyler! Es war ja auch nur ein gelber Alarm…"
Captain Gabriel Lorca

"Ich bin am qualifiziertesten, dafür zu sorgen, dass er wieder gesund wird! Wollen Sie überhaupt, dass er wieder gesund wird? Oder wollten Sie, dass all das hier passiert?"
Dr. Hugh Culber zu Lorca

"Das sind keine Nachbarn, die man mal eben um Zucker bittet."
Lorca über das terranische Imperium

"'Captain Killy'? Das ist wirklich etwas platt…"
Saru

"Ich habe versucht sie zu verstehen und die Stärke der Terraner ist aus purer Notwendigkeit entstanden. Sie führen ein Leben in ewiger Angst. Immerzu auf der Hut vor dem nächsten, mörderischen Hinterhalt. Ihre Stärke ist übertünchter Rost; nur eine Fassade. Aber Du hast die Stärke einer ganzen Crew die an Dich glaubt. Ziehe Kraft aus unserem Glauben an Dich! So macht ein echter Captain das auch."
Michael Burnham zu Sylvia Tilly

"So behandeln Sie ihren verlorengeglaubten Captain? Würden Sie mich so begrüßen, würde ich Ihre Zunge rausschneiden und damit meine Stiefel polieren."
Tilly zu Captain Danby Connor

"Es war ein harter Kampf Captain zu werden als Sie weg waren. Am Ende hab ich es dann geschafft. Der Imperator hat etwas in mir gesehen."
"Schön für Sie…"
"Die ganze Crew hat sich nach meinem Sieg verbeugt. Aber nicht tief genug verbeugt!  Nicht so tief wie vor Ihnen. Ich muss sie dazu bringen mich zu fürchten. Und jetzt weiß ich auch endlich wie…"
Connor und Burnham

"Lang lebe Captain Burnham! Lang lebe das Imperium!"
Brückencrew der ISS Shenzou

Weiterführende Leseliste.
01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"