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Mittwoch, 25. Oktober 2017

Turons Senf zur sechsten Folge Discovery

Spoilerwarnung.
Dieser Artikel enthält massive Spoiler zum Inhalt der sechsten Discovery-Folge "Lethe" und sollte nur gelesen werden, wenn man die Episode und sämtliche vorangegangenen bereits gesehen hat.


Einleitung.
Um eine solche Rezension zu schreiben, sehe ich mir die aktuelle Folge mindestens zwei Mal mit einem alten Star-Trek-Hasen wie K'olbasa an. Im Anschluss tauschen wir unsere Ansichten über die dortigen Ereignisse, Entdeckungen und Entwicklungen in bester Nerd-Manier aus.
Danach schaue ich sie mir mindestens zwei Mal auf Englisch zusammen mit meiner Frau an, die mir weiteren Input gibt und mich nicht selten auf den ein oder anderen Aspekt aufmerksam macht, der mir sonst entgangen wäre.
Einen weiteren Tag lang lasse ich mir alles noch einmal in Ruhe durch den Kopf gehen, rede mit dem ein oder anderen Gelegenheitszuschauer und beginne langsam, mir meine Rezension im Hinterkopf zusammenzuschustern.
Am Dienstag Abend sitze ich dann bis spät in die Nacht, um meine Gedanken zu Papier zu bringen und sehe mir die Episode ein weiteres Mal an, um Screenshots zu machen und 'Denkwürdige Zitate' niederzuschreiben.
So kommt das heraus, was man im Folgenden lesen kann...

Story.
Michael Burnhams Welt gerät aus den Fugen, als sie über die seelische Ferngesprächs-Verbindung zu ihrem Adoptiv-Vater Sarek erfährt, dass dieser in akuter Lebensgefahr schwebt. Nach einem feigen Angriff eines fanatischen Terroristen treibt der verdiente Föderationsbotschafter bewusstlos auf seinem beschädigten Schiff durch einen radioaktiven Nebel.
Sofort sichert ihr Captain Gabriel Lorca seine Unterstützung zu. Doch während Burnham in den Weiten des Alls verzweifelt nach ihrem Ziehvater sucht, muss er sich seinen eigenen Dämonen stellen. Seine Vorgesetzte und Geliebte nutzt nämlich die Gelegenheit beim Schopfe, den psychischen Zustand des Raumschiffkommandanten auf Herz und Nieren zu überprüfen. Rasch wird ihr klar, dass Lorca zu einem unstabilen Element geworden ist, das nun über das Rückgrat der Sternenflottenverteidigung nach eigenem Ermessen verfügt und dabei mehr als einmal die Grenze des Erlaubten überschreitet. Lorca erkennt, dass er eine Möglichkeit finden muss, seine eigene drohende Absetzung abzuwenden…


Lobenswerte Aspekte.

Charaktermomente.
Eigentlich wollte ich ja damit aufhören, stets und ständig Loblieder auf den ebenso raubeinigen wie raubauchigen Kommandanten Gabriel Lorca anzustimmen.
Aber dieses hehre Ziel werde ich auch dieses Mal verfehlen, denn Lorca ist – schon wieder – der absolute Gewinner dieser Folge.
Warum?
Weil er spätestens ab jetzt als 'genial fies' gelistet werden muss.
Er tut nämlich Burnham keineswegs einen Gefallen, als er ihr ermöglicht, in einem abgelegenen radioaktiven Nebel nach ihrem vulkanischen Ziehvater zu suchen. Er nutzt diese Situation taktisch, indem er frei nach dem Motto 'eine Hand wäscht die andere' Burnham dazu manipuliert, nicht nur freiwillig in seinen Führungsstab zu wechseln, sondern diesen neuen Posten dankbar und hochmotiviert auszufüllen.
Daneben ist ihm vergleichsweise schnell aufgegangen, dass Stamets eugenische Experimente mit dem Sporenantrieb sehr wohl eine persönlichkeitsverändernde Wirkung auf seinen Chefingenieur haben (man achte vor allem auf seine Blicke zu Stamets, als er von den Plänen zum Bau eines 'synthetischen Gedankenverschmelzungsverstärkers' hört), aber er ist bereit, die deutlich erkennbare Wesensveränderung eines wertvollen Crewmitglieds in Kauf zu nehmen, solange sie seinem Schiff einen taktischen Vorteil bietet.
Als wäre das allein noch nicht berechnend genug, zögert er keine Sekunde lang, seine Hop-On/-Hop-Off-Beziehung und das Leben des Admirals Katrina Cornwell zu opfern, um die USS Discovery unter seinem Kommando zu behalten. Klar haben wir auch schon bei Kirk und Picard das ein oder andere Verzweiflungsmanöver gesehen, um die überfällige Beförderung zu umgehen, aber Lorca gibt dem beinahe schon sprichwörtlichen Klammern am Stuhl des Captains eine völlig neue Ausrichtung. Wissentlich stattet er seine Bettgefährtin mit einer minimalen Eskorte aus; wissentlich verzichtet er auf eine eigenmächtige Rettungsmission für die Frau, die ihn von seiner Position entfernen will und wissentlich begründet er sein Verhalten mit den gleichen leeren Worthülsen, die er zuvor nicht für sein eigenes Handeln hat gelten lassen. Die Tatsache, dass ausgerechnet der Harry-Potter-Fiesling Lucius Malfoy in Person von Jason Isaacs mit dieser Rolle betraut wurde, ist ein weiterer Glücksfall für diesen Extremcharakter, der nicht nur mit einem Phaser unter dem Kopfkissen schläft, sondern auch die Tür zu seinem Quartier nicht unbewaffnet öffnet.


Der andere große Gewinner der sechsten Folge heißt Sarek, beziehungsweise James Frain. Auf wunderbare Weise wird hier jener Konflikt aufgegriffen, den Spock im fünften Kinofilm in seinen Gefühlen hervorkramt: Als sein Vater nämlich bei seiner Geburt beinahe abgestoßen die Worte "So menschlich!" fallen lässt (diese Worte hört man zudem beinahe im Wortlaut auch in "Lethe").
Sareks gespaltene Persönlichkeit ("starrköpfig und unnahbar"), die sich auf der einen Seite bemüht, die menschliche Präsenz in der vulkanischen Gesellschaft zu fördern, aber seine eigenen Kinder und Ziehkinder zu zwingen, ihre menschliche Hälfte zu unterdrücken, trifft Michael Burnham nicht weniger hart als ihren Adoptivbruder. Plötzlich verstehen wir Sareks bittere Enttäuschung, als Spock sich der Sternenflotte zuwendet und damit Sareks Bevorzugung zurückweist, denn dies steigert den Zweifel an Sareks eigenem –erschreckend menschlichen - Handeln ins Unermessliche. Doch anstatt den Fehler bei sich selbst zu suchen, zeigt der in seiner Logik ebenfalls extremistisch veranlagte Sarek nicht nur Spock, sondern nun auch Burnham die kalte Schulter.
Es bedarf (schon wieder) einer Nahtod-Erfahrung, um wenigstens peripher unter die diversen Lagen von Schutzhüllen aus Logik zu blicken, die sein Innerstes offenbaren. Frain gelingt am Ende ein grandioses Porträt des legendären vulkanischen Botschafters, das sich nahtlos an die Darstellung Mark Lenards anschließt.
Durch die beinahe flächendeckende (es gibt auch einige Szenen für Lorca) Rückkehr zur Monoperspektive, gerät auch Burnham wieder mehr in den Fokus des allgemeinen Geschehens. Sie weiß die Aufmerksamkeit zu nutzen und es gelingt ihr – trotz der massiven Betonung ihrer Vergangenheit - endlich, selbst in Zeiten des Zweifelns eine eigene Identität zu finden, die sie von ihren übermächtigen vulkanischen Wurzeln abnabelt und zu ihrem eigenen Stil zurückfinden lässt. Am Schluss mutiert sie für meinen Geschmack etwas zu voreilig zum Lorca-Jünger, auch wenn ich ihre Motivation glaubhaft nachgezeichnet finde.


Bislang blass erschien hingegen stets Katrina Cornwell, der es aber glückte, sich neben den drei genannten Figuren einen eigenen Platz unter den herausragenden Charakteren zu sichern. Zum einen, weil ihr Auftritt erstmals eine Prise Sex ins prüde Weltallleben gespült hat, und zum anderen, weil ihr Charakter vor den Augen des Zuschauers vom unspektakulären Vorgesetzen zur emotional involvierten sowie als Bauernopfer missbrauchten Todeskandidaten mutiert ist. Man bekommt langsam das Gefühl, dass hier keiner der Nebencharaktere  – wie etwa in den vorangegangenen Star-Trek-Serien -  einfach nur zur Untermalung des Main Casts existiert, sondern eine eigene Rolle in einem undurchsichtigen Netz aus nebulösen Intrigen, bruchstückhaften Informationen und menschlichen Abgründen spielt.
Der Rest der Besetzungsriege hat vergleichsweise wenig zu tun. Saru kommt auf gerade einmal fünfzehn Sätze, Stamets läuft völlig high durch das Geschehen und die Charaktermomente für Ash Tyler dienen wohl nur dazu den Zuschauer in Sicherheit zu wiegen, dass er eben kein Spion ist.
Tilly hat durchaus ihre Momente, aber manifestiert sich mehr und mehr als bloßer Sidekick für Burnham. Spocks Mutter Amanda Grayson war gut gecastet (und Mia Kirshner sah ihrem TOS-Vorbild Jane Wyatt sogar irgendwie ähnlich), verschwand am Ende jedoch im langen Schatten ihres omnipräsenten Ehemannes.
Immerhin gefiel mir der kurze Auftritt des Klingonen Kol, dem es in Habitus, Sprechweise und Hinterhältigkeit gelingt, einen vergleichsweise glaubwürdigeren Klingonen abzuliefern als allen anderen Neo-Klingonen vor ihm.


Moralität.
Wiedermal musste ich eine gute Weile hin- und herüberlegen, bis mir eine tiefere Moral vor die Füße fiel.
Der Folgentitel "Lethe" (der wohl auf den griechischen Unterweltfluss des Vergessens anspielt) war dabei keine sonderlich große Hilfe, denn auch wenn die Art und Weise, wie mit der Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis umgegangen wird ein nettes Gimmick war, blieb es doch weit entfernt davon, ein allzu denkwürdiges Thema abzugeben.
Und auch der Kampf zwischen einer logisch-vulkanischen und einer menschlich-emotionalen Hälfte, wie man ihn bei Sarek als auch Burnham in unterschiedlichem (wenn nicht sogar antithetischem) Ausgang miterleben durfte, ist bei Lichte besehen ein alter Star-Trek-Hut, den es bereits seit Anbeginn der Franchise gibt.
Nein, der Reiz der Folge liegt in einem ganz anderen Aspekt, nämlich Michael Burnhams Zuwendung zu Captain Lorca.
Nachdem sich dieser nämlich für ihre Belange (in diesem Fall die Rettung ihres Adoptivvaters Sarek) einsetzt, lässt sie sich nicht nur bereitwillig einen Brückenposten überhelfen, sondern entwickelt sogar eine ungesunde Loyalität zu dieser – wie wir erfahren – psychisch labilen Führungsfigur.
Trotz aller Intelligenz vermag es die frühere Meuterin nicht, hinter die Fassade dieses Täuschers, Manipulators und Fanatikers zu blicken.
Das Ding ist nämlich, dass selbst Intelligenz nicht davor schützt, sich Fanatikern und deren kruden Ideen zu öffnen, denn selbst die so logischen Vulkanier haben so eine Art Nazi-Dschihadisten in ihren Reihen, die bereit sind, sich für die Reinhaltung ihrer arischen Spezies selbst in die Luft zu sprengen.
In Zeiten, in denen es nicht nur einer AfD, einem Trump oder einem Erdogan gelingt, die Gesellschaft zu spalten, sondern auch religiöse Hardliner im Islam, Christentum oder selbst Buddhismus immer wieder andere Menschen zu Schandtaten anstacheln, besinnt sich Star Trek endlich wieder darauf, was es einmal ausgemacht hat:
Tagespolitisches Geschehen in die Zukunft zu verlegen und dem Zuschauer vor Augen zu halten, was mit unserem eigenen Planeten im Hier und Jetzt himmelschreiend schiefläuft.
Schon allein dafür gebührt dieser Serie Hochachtung.


Auf Kuschelkurs mit dem Kanon.
Alles beginnt mit einer grandiosen Aussicht auf den Planeten Vulkan. Eine ganze Folge lang widmet sich der Fokus Discoverys einer der Gründerwelten der Föderation und zeichnet ein rührend schlüssiges Bild der Gesellschaft knapp einhundert Jahre nach "Enterprise".
Noch immer sind die Vulkanier argwöhnisch was Menschen angeht. Während die einen (z.B. Terral) in bester ENT-Manier hinter dem Rücken der Sternenflotte in eigenmächtiger Handlung Separatverhandlungen mit den Klingonen betreiben, sorgen sich andere (eine wirre Minderheit) um die Rassenreinheit ihrer Kultur (was wiederum an die Eingangsszenen des elften Kinofilms erinnert).
Es wird ein differenziertes Bild einer Gesellschaft gezeichnet, die sich erst nach einem Jahrhundert damit auseinandersetzt, was die Mitgliedschaft in einer Allianz mit Menschen und anderen Spezies für die eigene Kultur bedeutet.
Das ist sehr einfühlsam in Szene gesetzt und wird nicht minder liebevoll ausstaffiert: Eine vulkanische Harfe spielt im Hintergrund, das Schiff Sareks (man kann im Hintergrund schon hören, wie der Modellschiffhändler Eaglemoss freudig Daumen und Zeigefinger aneinanderreibt) erinnert in seinem Aufbau noch rudimentär an die Warpringe und die Wiederaufnahme von Gedankenverschmelzungen, Katras sowie grünem Blut zeigt deutlich, dass sich zumindest die Autoren im Vorfeld gründlich mit ihren Kanon-Hausaufgaben beschäftigt haben.
Daneben gibt es kleinere Anspielungen auf die USS Enterprise der Constitution-Klasse, Grazeriten und Yridianer, die den ein oder anderen Querbezug zum größeren Gesamtbild herstellen.
Schließlich bedient man sich auch noch auf andere Weise am reichhaltigen Fundus, den Star Trek zu bieten hat: Die Klingonen sind zwar nicht so plump wie bei TNG, aber dafür so hinterlistig wie bei TOS. Die Selbstmörderwaffe des vulkanischen Logikextremisten erinnert sehr an die Enterprise-Episode "Das auserwählte Reich". Und thematisch hat man sich an Inhalten aus "Reise nach Babel", "Der Anschlag" oder "Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock" angelehnt.
Alles in allem zeigen sich die Autoren absolut bemüht, den Fans das ein oder andere Aha-Erlebnis zu verschaffen, ohne sich dabei in Star-Trek-Internas zu verrennen, die Neueinsteigern den Zugang erschweren würden. Stattdessen fallen wohl vielen der Gelegenheitsseher und Neueinsteiger die meisten Referenzen kaum störend auf, was die Brillanz der Bezüge nur noch mehr unterstreicht.


Auf zu neuen Ufern.
Tatsächlich gelingt es der Folge recht gut, das hohe Tempo seines Vorgängers aufrecht zu erhalten und auch wenn der ein oder andere Handlungsstrang in einer gewissen Offensichtlichkeit mündete, warf auch "Lethe" am Ende mehr Fragen auf, als sie beantwortete.
Denn der häppchenweisen Freigabe von Informationen – in diesem Fall, dass die Bombardierung von Burnhams Lernzentrum das Werk einer faschistoiden Logik-Al-Kaida war – folgt die Eröffnung weiterer Nebenkriegsschauplätze:
Ein Admiral befindet sich in der Hand von Klingonen, auf Vulkan machen Terroristen Jagd auf Sarek und Stamets Pilz-Konsum wirkt sich allmählich auf seine Persönlichkeit aus.
Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte und künftigen Episoden bleiben so viele Anknüpfungspunkte, dass man angesichts der Tatsache, dass mittlerweile fast schon wieder die Hälfte der Serie um ist, in ungläubiges Staunen verfällt.


Kritikwürdige Aspekte.

Kanonbrüche und Logiklöcher.
Es ist schon auffällig, dass sich die Schreiber auf der einen Seite unglaublich viel Mühe geben, die Serie passgenau in den Kanon einzufügen, nur um sich die eigene Kontinuität von den Maskenbildnern, den Visual-Effects-Verantwortlichen und Schiffsmodell-Designern ruinieren zu lassen. Dieser uneinfühlsame Bruch scheint allerdings genau die Trennlinie zu markieren, die absichtlich gezogen wurde, um einerseits den Ansprüchen der Alt-Fans und den vermeintlichen Seh-Gewohnheiten von Neueinsteigern zu genügen.
Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass man keine Raumschiff-Kontrollen wie in der Originalserie verwendet, weil das selbst für mich etwas bemüht wäre.
Aber dennoch bleibt festzuhalten, dass man hier summa summarum zu viele Kanon-Regeln verletzt:
Das Schiffsdesign, die Klingonen und – was in dieser Folge besonders zum Tragen kam – die Verwendung von Holografietechnologie.
Wenn Kol sich holografisch durch das All transportiert, um mit anderen zu kommunizieren, ist das schlichtweg falsch.
Wenn Lorca mit einer Holosimulation verschiedener Planeten interagiert, ist das schlichtweg falsch.
Und wenn einem Ego-Shooter ähnlich Gefechtsübung auf einem Holodeck durchgeführt werden, ist das schlichtweg falsch.
Natürlich hat man sich die Mühe gemacht zu zeigen, dass die Darstellung längst nicht so ausgereift ist wie in späteren Star-Trek-Inkarnationen. Klar gibt es auch schon in der Star-Trek-Trickfilm-Serie einen Holodeck-Auftritt. Und selbstverständlich ist mir bewusst, dass es bereits unter Archer etliche Begegnungsmomente gegeben hatte.
Aber diese fortgeschrittene Technologie wird bei TNG in dieser Form als eine große Neuerung und ein Quantensprung in der Entwicklung dargestellt und glänzt bei TOS nicht zu Unrecht mit völliger Abwesenheit. Sie ist ein sinnloser Fremdkörper innerhalb einer Serie, die zehn Jahre vor Kirk, Spock und Pille angesetzt ist.
Bauchschmerzen bereitet mit ferner die erstaunlich zügige Konstruktion eines "synthetischen Gedankenverschmelzungsverstärkers". Zwar hätte dieser Begriff einen besseren deutschen Folgentitel als "Lethe" abgegeben (vor allem weil er der bislang längsten deutschen Titulierung "Der Zentralnervensystemmanipulator" Paroli geboten hätte), doch die Produzenten anderer Serien haben – nicht ganz zu Unrecht – stets Abstand von Maschinen genommen, die als Medium zwischen schwammigen Spezies-Talenten wie Gedankenverschmelzungen, Telepathie oder gar Telekinese fungierten. Diese Zurückhaltung hätte eventuell auch dieser Episode gut zu Gesicht gestanden, denn es stellt sich ein weiteres Mal die Frage, warum dieses Stück Technik in späteren Jahren keinerlei Verwendung fand.
Daneben gibt es noch eine ganze Reihe zusätzlicher Ungereimtheiten und Fragen, die sich daraus ergeben.
Was ist eigentlich mit Sybok?
Für eine Serie, die darauf beruht, dass Spock bislang über Burnhams Existenz den Mantel des Schweigens ebenso gehüllt hat wie über das Leben seines Halbbruders Sybok ist es doch recht auffällig, wie wenig Erwähnung er bei Discovery findet, obwohl sich mehrfach geradezu aufdrängt, den einzigen (?) 'reinrassigen' Sohn Sareks anzuführen.
Warum fliegt Cornwell nicht mit ihrem eigenen Schiff zu den Klingonen?
Natürlich wird der Admiral von Lorca geopfert, aber wenn sie schon mit ihrem eigenen Schiff zur Discovery fliegt, wundert es doch sehr, dass der dortige Captain keinerlei Einwände gegen ihren Ausflug nach Cancri IV erhebt oder wenigstens das Shuttle stellt, das sie dorthin bringt.
Warum hat Vulkan einen Mond?
Laut "Das Letzte seiner Art" soll der Planet keinen Trabanten haben, aber gleich zu Beginn kann man einen solchen Himmelskörper ausmachen. Dieser Widerspruch ist allerdings nichts Neues, denn bereits in der Zeichentrickserie und dem ein oder anderen Kinofilm waren entsprechende Himmelskörper zu sehen. Meist wird die Erklärung herangezogen, dass es sich dabei um einen Schwesterplaneten handelt.
Warum funktionieren die Replikatoren plötzlich mit Spracheingabe?
Tatsächlich war in der Originalserie mehrfach zu sehen, dass Datenkarten zur Bestellung von Speisen notwendig waren und die Spracheingabe eher ein Produkt des "nächsten Jahrhunderts" war. Aber selbst bei TNG waren die Maschinen nicht so redselig, dass sie jeden Benutzer detailreich über die Biografie ihres Frühstücks aufklärten.
Warum muss Tyler Tilly darauf hinweisen, dass er einen höheren Rang hat als Burnham?
Echt mal! Jeder an Bord, inklusive der Kadettin Tilly, hat einen höheren Dienstgrad als die ehemalige Meuterin, die – wie wir seit der vierten Folge wissen – aktuell über keinen Rang verfügt.
Zudem wirkt es recht aufgesetzt, dass Captain Lorca Ash Tyler nach knapp einer Woche gleich zum Sicherheitschef ernennt…


Übersetzung.
Die würde bei weitem nicht so sehr nerven, wenn man dem Substantiv Katra sein weibliches Geschlecht wiedergeben würde. Ständig muss man "seines Katra", "das Katra" oder "dein Katra" hören, obgleich die Synchronisation des dritten Kinofilms ein völlig anderes Vorbild geliefert hat. Doch im Anblick der sturen Beibehaltung dieses Fehlers scheint es wohl abzusehen, dass man diesen Faux-Pas zum neuen Standard erheben wird.
Scheußlicher sind nur die deutschen Untertitel, in denen der Begriff 'Admiral' schon einmal mit "Erbsenzähler" übersetzt, von "des Cancri 4" geredet und ein "Schildetest" anberaumt wird.
Grausam!
Wer nicht auf den ein oder anderen lesbaren Kanonbezug verzichten möchte, sollte lieber auf die englische oder gar klingonische Untertitelspur ausweichen, um dieses Elend zu umgehen.
Einen guten Grund gibt es am Ende aber doch, die deutsche Version zu hören:
Bordarzt Dr. Hugh Culber wird hierzulande seine Stimme von niemand geringerem als Raumschiff-Eberswalde-Gründer Benjamin Stöwe verliehen!


Fazit.
Auch wenn die sechste Episode "Lethe" nicht ganz so rund erscheint wie ihr Vorgänger, gibt es am Ende – vom ein oder anderen inzwischen zur Gewohnheit verkommenen Kanonbruch und Logikloch – wenig zu schimpfen.
Der Erzähltempomat verrichtet seinen Job, es gibt endlich wieder eine großartige (star-trekige) Moral und der vor Input sprudelnden Handlungsentwicklung stehen die sprichwörtlichen 'unendlichen Weiten' offen. 
Dazu gibt es einige großartige Momente für Alt-Fans, atemberaubende Charaktermomente für die Figuren und begnadete Schauspieler, die ihren Rollen neues und altes Leben einhauchen.

Bewertung.

Denkwürdiger vulkanischer Moment.






Schluss.
Wie eingangs bereits geschrieben sehe ich mir jede Folge Discovery mindestens fünf Mal an. Ich weiß dass viele Freunde, Bekannte und Kollegen ähnlich verfahren.
Das heißt vor allem, dass die neue Serie schon allein wegen Leuten wie uns Rezensenten ein Erfolg werden muss, da wir statisitisch gesehen für den ein oder anderen Verweigerer mitsehen. Ohne Frage wird das häufige Sehen von Netflix registriert werden und (hoffentlich) zum Erfolg der neuen Serie beitragen.
Das bedeutet aber beileibe nicht, dass Discovery nur was für Rezensenten ist. Gerade in den letzten paar Tagen ist mir aufgefallen, dass nicht nur die altgedienten Fans (wenn auch mitunter mürrisch) mitschauen, sondern auch viele neue Zuschauerschichten erschlossen werden, denn ich kann kaum mehr aufzählen, wie oft ich durch das Tragen eines Star-Trek-Shirts von wildfremden Leuten auf Discovery angesprochen wurde, von Freunden plötzlich Nachrichten erhielt oder selbst von Kollegen in spontane Fachgespräche über den Inhalt der aktuellen Folge verwickelt werde.
Star Trek ist es mit Discovery wieder gelungen, die verloren geglaubte Aufmerksamkeit zu erreichen und auch, wenn die Reichweite der früheren 'goldenen Zeiten' noch längst nicht erreicht ist, gibt es doch das gute Gefühl, dass das erste Mal seit langer Zeit wieder ein frischer, für alle bemerkbarer Wind durch die Franchise weht.



Denkwürdige Zitate.

"In Krisenzeiten ist Ignoranz manchmal von Vorteil."
Sarek

"Sechs Komma fünf Sekunden ist kein willkürlicher Wert. Mit dieser Zeit erhältst Du eine Belobigung für Deine Ausdauer. Heute lautet Dein Ziel sechs Komma fünf Sekunden. Dann die Versetzung auf ein Schiff der Constitution-Klasse wie die Enterprise. Danach eine Stelle als erster Offizier. Entwirf einen Weg, verfolge ihn und gelang' an Dein Ziel. Vom Kadett zum Captain. So in etwa. Wie soll Dein Weg aussehen, Tilly?"
Michael Burnham zu Sylvia Tilly

"Ihre Faszination für die Menschen darf nicht länger toleriert werden. Ihre Obsession hat sie blind gemacht für die Wahrheit: Der Mensch an sich ist minderwertig. Mein Opfer wird all jenen ein leuchtendes Vorbild sein, denen der Wert der Logik über alles geht. Die Vulkanier werden zur Einsicht kommen und sich aus dem gescheiterten Experiment 'Föderation' zurückziehen."
V’Latak zu Sarek

"Man darf nicht alles glauben."
Ash Tyler

"Die Vulkanier haben die Sternenflotte hintergangen, weil sie mit unserem unlogischen Mist aufräumen wollten."
Gabriel Lorca zu Terral

"Bringen Sie sie in einem Stück zurück."
"Ohne Kratzer!"
"Ich meinte damit sie… Oder kommen Sie gar nicht zurück."
Lorca und Tyler

"Du bist der Captain des hochentwickelsten Schiffes der ganzen Flotte, dem Eckpfeiler unserer gesamten Verteidigung gegen die Klingonen. Du kannst nicht so tun, als ob die Discovery Dein Eigentum wäre!"
Admiral Katrina Cornwell zu Lorca

"Regeln sind für Admirals… Die im Innendienst arbeiten. Ich muss hier einen Krieg gewinnen."
Lorca zu Cornwell

"Ich war dem Tod auch schon nah. Ich stand mal kurz davor. Du denkst nicht darüber nach wer Dich enttäuscht hat. Das spielt keine Rolle. Du denkst an die, die Du liebst; daran, was Du gern anders gemacht hättest. Was hätte Ihr Vater gern anders gemacht?"
Tyler zu Burnham

"Ich habe immer an Dich geglaubt. An jenem Tag hat nur einer versagt und das war ich."
Sarek zu Burnham

"Ich lege auf keinen Fall die mächtigste Waffe im Besitz der Sternenflotte in die Hände eines gebrochenen Mannes."
Cornwell zu Lorca

"Ich bin dankbar unter einem Captain wie Ihnen zu dienen."
Burnham zu Lorca

"Es gibt tausende Wege Captain zu werden. Finde Deinen eigenen."
"Das habe ich."
Burnham und Tilly

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Turons Senf zur dritten Folge Discovery


Spoilerwarnung.

Dieser Eintrag enthält detaillierte Informationen zu den ersten beiden Folgen von Star Trek: Discovery. Man sollte nur weiterlesen, wenn man alle drei Episoden bereits gesehen hat.

Einleitung.
Nach einer Woche Wartens kommt Discovery zurück, bzw. startet. Der dritten Folge obliegt es dabei - nach den bereits erfolgreich durchgestarteten Pilotfolgen - die eigentliche Rahmenhandlung zu etablieren, der der geneigte Zuschauer den nächsten zwölf Episoden folgen soll.
Oft genug folgten auf starke Star-Trek-Pilotfilme mäßige Folge-Episoden, doch bei den anderen Serien der Franchise bestand nie der gleiche Druck, dem Discovery im Moment ausgesetzt ist.
Ob es der siebenten Serie gelingt, die Erfolgsspur ihrer Vorgänger einzuschlagen, hängt maßgeblich davon ab, wie die Qualität von "Context Is for Kings" am Ende ausfällt.


Story.
Sechs Monate nachdem Michael Burnham die Föderation durch ihr Verhalten in einen Krieg mit den Klingonen gestürzt hat, findet sie sich auf einem Gefangenentransport wieder. Doch anstatt ihr restliches Gefangenenleben in einer Dilithium-Mine zu schuften, gelangt sie einen mysteriösen Vorfall später auf die USS Discovery, wo Captain Gabriel Lorca sie gegen ihren Willen zwingt, in einem der schiffseigenen Techniklaboratorien auszuhelfen.  Burnham, die von den meisten Crewmitgliedern des hypermodernen Sternenflottenschiffes gemieden wird, erkennt schnell, dass in ihrem neuen Arbeitsbereich einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Spätestens als die USS Glenn, ein Schwesterschiff der Discovery, aufgrund geheimnisvoller Experimente ihre gesamte Crew verliert, in klingonisches Hoheitsgebiet driftet und sie für eine Außenmission zwangsrekrutiert wird, dämmert ihr, dass einige hochrangige Köpfe der Sternenflotte in ihrem Bestreben die Klingonen zu besiegen bereit sind, neue Wege zu gehen, alternative Lösungen zu finden und sogar großzügig über ein Kapitalverbrechen wie Meuterei hinwegzusehen…


Lobenswerte Aspekte.

Ausblick auf spannende Story.
 Es ist wohl einer der clevereren Züge der verantwortlichen Ausstrahlungsleiter bei CBS und Netflix, dem Publikum die neue Star-Trek-Serie nur häppchenweise auszuspucken. Auf diese Weise steigert sie nämlich die knisternde Spannung beinahe greifbar, bis man die neue Episode schauen kann, nur um sich an deren Ende zu ärgern, dass man nun wiederum eine ganze Woche warten muss um die nächste Folge sehen zu können. Man ist als hilflos in einer Spirale des Unbekannten gefangen, mit der man nicht zuletzt deshalb so schlecht umgehen kann, weil es seit über einem Jahrzehnt keine neue Star-Trek-Serie gegeben hat (und erst recht keine, deren Teile derart aufeinander aufbauen). Fraglos hätte sich der Großteil der Fans die Serie bereits ohne Unterbrechung am Stück angesehen, wenn dies möglich gewesen wäre, zumal die Konzeption so sehr die Neugier der Fans herauskitzelt, dass man sich die bislang veröffentlichten Folgen wieder und wieder ansieht, um auf den weiteren Verlauf zu spekulieren, kleinere Anspielungen besser mitzubekommen oder Details im Hintergrund zu erkennen. 
Nachdem beide Pilotfolgen (als Vorgeschichte) vergleichsweise in sich abgeschlossen waren, folgte mit "Context Is for Kings" (keine Ahnung, warum es noch keinen deutschen Titel gibt) nun der erste Punkt, an dem inhaltliche Einblicke in den zukünftigen Kurs der gesamten Serie gegeben werden.  Erstmals erhält man eine Idee wo es hingehen soll: Irgendwo zwischen verlustreichem Krieg und neuer geheimnisvoller Erfindungen, dem Widerspruch zwischen militärischer und wissenschaftlicher Nutzung von Technologie, Individualität und Kadavergehorsam, Idealen und Wirklichkeit sowie den sozialen Folgen von Schuld und Sühne ergibt sich ein gigantisches Puzzle, dessen Teile man sich langsam zurechtlegt, ohne dass sie bereits ein schlüssiges Bild ergeben.
Und doch kann man einiges sagen. Zum Beispiel, macht die Blume im Vorspann plötzlich Sinn. Man weiß endlich, welches Schiff im Fokus stehen wird. Und genauso gut weiß man, dass die neue Technologie ein Irrweg sein wird, der sich nicht durchsetzen wird. Es ist nicht die Spannung auf das größere Geschehen, das ohnehin durch den starren Star-Trek-Kanon vorgegeben ist. Nein, bei Discovery liegt die Spannung im Gang, oder anders ausgedrückt – der Weg ist das Ziel. Das funktioniert am Ende erstaunlich gut, auch wenn es bedeutet, dass man sich eine weitere Woche lang nervös an den Fingernägeln herumknabbern muss.


Starker Cast.
Als alter TNG-Fan hatte mich im Vorfeld ganz besonders gefreut, dass endlich wieder ein britischer Schauspieler die Brücke eines Sternenflottenschiffes kommandieren wird. Ich wurde nicht enttäuscht, denn Jason Isaacs alias Captain Gabriel Lorca mimt einen fesselnden Captain. Nicht zuletzt, weil sich sein (nicht nur wegen der Augenschwäche) düsterer Charakter von jedem bislang dagewesenen Raumschiffkommandanten  - inklusive Philippa Georgiou aus dem Piloten – deutlich abhebt. Seine Mischung aus kumpelhaftem und autoritärem Führungsstil ist dabei nicht durchweg sympathisch, aber schon jetzt trägt er trägt einen Großteil der aufkommenden Spannung, kommenden Konflikte und finsteren Geheimnisse auf seinen Schultern.
Als kontrastreicher Sprung bietet sich an dieser Stelle an, die Figur Sylvia Tillys zu erwähnen. Mary Wisemans Darstellung einer ehrgeizigen, aber schrulligen (fast schon autistischen) Kadettin im letzten Ausbildungsjahr steht im Widerspruch zu jeder anderen Figur an Bord und ausgerechnet sie an Burnhams Seite zu platzieren, ist schlichtweg ein genialer erzählerischer Schachzug mit einer Menge Potential.


Jenes Potential lassen auch Anthony Rapp als Paul Stamets und Rekha Sharma als Ellen Landry erkennen, auch wenn ihre Leistungen bislang eher darin lag, die ihnen zugeschriebene Rolle auszufüllen. Immerhin gelang es Rapp zusammen mit Isaacs, eine gleichsam frotzelige wie frostige Atmosphäre zwischen ihren Charaktern zu etablieren.
Mein persönlicher Favorit bleibt aber noch immer Doug Jones als Saru. Unter der massiven Silikonmaske spielt er einen eindringlichen Charakter, der zwischen seinen Loyalitäten, Ansichten und Instinkten zerrissen wird. Ihm ist es auf jeden Fall zu gönnen, mehr Screentime zu erhalten als in dieser dritten Folge. 


Moralität.
Wie sagte Picard zum 'meuternden' Data so schön in „Kampf um das Klingonische Reich, Teil II“?

"Obwohl jedoch: Die Behauptung, 'ich habe nur Befehlen gehorcht' viel zu oft zu Rechtfertigung vieler Tragödien in unserer Geschichte diente. Die Sternenflotte braucht keine Offiziere die blind Befehle befolgen, ohne die Situation zu analysieren."

In dieser Folge gibt sein Kollege aus einer vorangegangen Ära hingegen zu Protokoll:

"Ich habe Sie ausgewählt, aber nicht aus den Gründen die sie vermuten. Ihre Annahme, dass die Klingonen uns beim Doppelstern in einen Hinterhalt locken wollten war vorausschauend. Sie haben das Richtige getan, egal ob es gegen das Gesetz war und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Nur wer so denkt, kann Kriege gewinnen, und Offiziere, die so denken, brauche ich neben mir. Lakaien befolgen Gesetze, Könige sehen Zusammenhänge."

Stellt man diese beiden Äußerungen aneinander, erkennt man schnell, dass es sich nicht nur um einen großartigen Folgentitel, sondern auch um ein beliebtes Thema bei Star Trek handelt, denn es umfasste genauso Siskos Rettungsoperation beim romulanisch-cardassianischen Angriff auf die Heimatwelt der Gründer, Picards Engagement in der Schlacht gegen die Borg im Sektor 001 sowie Captain Kirks Rettungsoperation für Spock zum Genesis-Planeten. Beim Aufruf wider dem blinden Gehorsam handelt sich schlichtweg um ein Grundmotiv der Franchise, das hier in würdiger Form aufgegriffen und sogar erweitert wurde.
Aber Discovery scheint sich nicht mit nur einem philosophischen Grundgedanken zufrieden zu geben:
Ähnlich präsent war auch stets die Frage, was ein so schonungsloser Krieg aus einer utopischen Gesellschaft wie der Föderation macht. Auf der einen Seite reißt sie glückliche und unglückliche Menschen aus ihrer Komfort-Zone (wie Stamets, Straal oder den weiblichen Sträfling), und zum anderen verleitet sie andere, plötzlich die etablierten moralischen Grenzen in Frage zu stellen (wie Lorca).
Als ob das noch nicht schon Kopfschmerzstoff für eine ganze Staffel wäre (und sicherlich auch bleiben wird), kommen noch andere Aspekte hinzu. Es ist ein Loblied auf den Individualismus, egal ob man ihn wie Tilly auslebt oder wie Burnham darunter leidet. Am Ende, so verrät uns Discovery, greift man immer selbst in die mäßig metaphorische Schüssel mit Glückskeksen.


Konflikt.
Während ich nach den beiden Pilotfolgen noch mutmaßte, dass Konflikte sich nur schwer fortsetzen lassen würden, wurde ich in "Context Is for Kings" eines Besseren belehrt. Ich wurde zum Zeugen einer genialen Weiterführung mit spürbaren Spannungen unter verschiedenen Parteien, die zum Greifen nahe sind wie noch nie bei Star Trek. Es klingt verrückt, aber nach meiner anfänglichen Skepsis bin ich eher darauf gespannt, wie sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren entwickeln, als die Auflösung der (wissenschaftlich doch etwas weit hergeholten) Warpsporentechnologie zu erfahren.
Reizvoll ist es vor allem, weil die Konflikte sich auf mehrere Einzelpersonen, Fraktionen und Interessengruppen verteilen. Zwar mag der Großteil der Discovery-Mannschaft Burnham nicht, aber sie erfährt dennoch Unterstützung von Tilly und Lorca. So ist Lorca zwar der Captain, aber hat in Stamets und z.T. auch in Burnham eine Opposition direkt in seinen eigenen Reihen. Ja selbst die Klingonen kann man in den munteren Reigen dieser Konfliktträger zählen, da auch sie ihre Gründe für ihr Handeln haben.
Großartig ist dabei, dass niemand im Reigen der Figuren eine moralische Instanz, frei von Fehlern oder zumindest fragwürdigen Motiven ist. An Bord der Discovery gibt es einen Haufen von Leuten mit unterschiedlichen Meinungen, Ansichten und Erfahrungen, die ihr Handeln beeinflussen.
Von allen Inkarnationen Star Treks ist Discovery – vor allem wegen seiner Konflikte – die menschlichste.


Umgang mit dem Kanon.

"Meine Mutter hat das Werk von Lewis Carroll besonders geschätzt."

Dieser kleine Satz, der aus der Star-Trek-Trickfilmserie (dem offiziellen Stiefkind aller Star-Trek-Serien) stammt, beweist, wie sehr sich die Autoren bemüht haben, Discovery in den offiziellen Kanon einzubinden.
Spock impliziert nämlich in "Phantasie oder Wirklichkeit", dass er es in seiner Kindheit von seiner Mutter vorgelesen bekam – eine Vorlage, die Discovery glänzend zu verwerten verstand. Die Bezüge auf "Alice im Wunderland" waren dabei sogar so stark hervorgehoben, dass sie bei der recht beiläufigen Ersterwähnung Spock eine grandiose Brücke zwischen den beiden Welten schlug.
Es gab aber noch weitere Anknüpfungspunkte, vor allem im Design. So schloss sich der Kreis mit dem Aufbau der Stationen im Techniklabor, der Verwendung von Datenkarten sowie der Sträflingsuniform Burnhams.
Zudem wurde jeder Star-Trek-Fan belohnt, der mit gespitzen Ohren vor dem Fernseher saß. Die Erwähnung von Tellun, der Suus Mahna und dem Zee-Magnees-Preis komplettierten diesen Eindruck weiter, der seinen Höhepunkt in der Warpsporenreise Burnhams fand, in der mindestens drei der gezeigten Orte auf TOS-Mattepaintings von Amerind, der Sternenbasis 11 und die Bergbausiedlung auf Janus VI anspielten.
Andererseits sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass Discovery das Rad keineswegs neu erfindet. Burnhams Rehabilitation wurde bereits anhand von Personen wie Tom Paris oder Ro Laren durchexerziert. Die Szenen auf der USS Glenn erinnerten ähnlich stark an die TNG-Episode "Genesis", ein Redshirt stirbt einen sinnfreien Heldentod und das Galaxie-umspannende Sporennetzwerk lässt unweigerlich an die Transwarpkanäle der Borg denken.
Immerhin kann man den Schreibern bei Discovery zugutehalten, dass sie jedem dieser Punkte eine eigene Charakternote verleihen konnten.




Ton und Atmosphäre.
Es ist wohl kein Wunder, dass die NCC-Nummer der USS Discovery ausgerechnet 1031 lautet. Laut Memory Alpha bezieht sie sich auf Bryan Fullers Vorliebe für Halloween und genau diesen Geist konnte man in dieser Episode mehr als deutlich spüren. Irgendwie erinnerte das gesamte Setting an Bord der USS Glenn eher an eine Folge Doctor Who als an klassisches Star Trek, wobei in diesem Fall der bereits in den ersten beiden Episoden omnipräsente dunkle Grundton passender wirkte.
Am Ende dient es wohl vor allem einem Zweck – der Abgrenzung zu älteren Star-Trek-Serien, die mit ihrer Ausleuchtung auch immer Hoffnung und ein beinahe steriles Bild der Zukunft transportierten. Diesen Vorwurf kann man Discovery bis hierher jedenfalls nicht machen…


Kritikwürdige Aspekte.

Rostlaubenromantik.
Nachdem ich bereits in der ersten Rezension kein gutes Haar an der Schiffsdesign-Abteilung von Discovery gelassen habe, muss ich dieses Mal zwangsweise noch deutlicher werden:

Die USS Discovery ist das abgrundtief hässlichste Schiff der gesamten Star-Trek-Geschichte.

Ich weiß nicht, ob die verantwortlichen Designer auf Koks waren.
Oder vielleicht die Produzenten, die das Design abgenommen haben?
Oder beide?
Fakt ist jedenfalls, dass die Begeisterung des Publikums für Star Trek eng mit der Ästhetik zusammenhängt, in der die Schiffe daherkommen. Welche zeitlose Eleganz die Original-Enterprise, ein romulanischer Warbird oder die Station Deep Space 9 haben, zeigt nicht zuletzt der riesige Erfolg, den Eaglemoss mit seiner Raumschiff-Sammlung auch hierzulande erzielt.    
Die Discovery ist jedenfalls ein Verbrechen an allen Menschen, die noch über genug Sehkraft verfügen, sie zu erkennen. Wenn wirklich Fuller dafür verantwortlich ist, wird er sich bis an sein Lebensende ebenso für das Design dieses Schiffes entschuldigen müssen wie Abrams für die Verwendung der auch hier noch immer viel zu präsenten Lensflares.
Die abstoßende Grässlichkeit des wichtigsten Schiffes der Serie ist vor allem deshalb so ärgerlich, weil man der Serie deutlich ansieht, dass viel Geld und Gedanken in die tollen Sets, die genialen Ausrüstungsgegenstände und Uniformen gesteckt wurden. Innerhalb der Schiffe gelingt sogar der Mix aus Enterprise, Abramsverse und TOS ungleich besser, was in den Jefferies-Röhren der USS Glenn seinen Höhepunkt findet. Dieser krasse Gegensatz ist schwer verdaulich, denn Discovery lässt sich so mit einer frischen Banane in einer überbraunen Schale vergleichen:
Innen hui, außen pfui.
Das ist doof, denn das Auge isst ja bekanntlich mit…


Ein Stückchen Abramstrek.
In den Augen längjähriger Star-Trek-Fans ist es ärgerlich, wenn die ein oder andere Design-Anleihe aus Abramstrek der Star-Trek-Chronologie widerspricht. Aber man kann damit leben. Schließlich sind Widersprüche zum eigenen Kanon spätestens seit "Der Zorn des Khan" (und dem nie stattgefundenen Treffen zwischen Khan und Chekov) popkultureller Bestandteil Star Treks.
Wenn man aber seitens der Discovery-Urheber nicht bereit ist, aus den Fehler J.J. Abrams zu lernen, so ist das schon eine ganz andere Hausnummer.
Solche Unzulänglichkeiten können dafür sorgen, dass man die Fan-Basis weiter spaltet, Zuschauer verprellt und am Ende den Fortbestand der eigenen Serie riskiert.
In "Context Is for Kings" gibt es das Potential für genauso eine Anleihe.
Während Abrams sich mit dem Augment-Superblut (das im Prinzip die Medizin der Zukunft völlig auf den Kopf stellt), vor allem aber mit dem Transwarp-Beamen (das im Prinzip die Verwendung von Raumschiffen obsolet macht) auf dünnes Eis begeben hatte, schickt sich Discovery an, ein ähnlich fragwürdiges Stück Supertechnologie zu etablieren:
Ein Transporter für das myceliale Netzwerk.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Idee hanebüchen ist und eins zu eins aus einem Buch von Erich von Däniken stammen könnte, wundert es doch arg, dass in allen drei Serien und vier Filmen die nach Discovery spielen nie mehr davon berichtet wird, keiner sich mehr an dieses Konzept erinnert und sämtlich Bezüge darauf fehlen. Es wirkt ein wenig so, als würde jemand in einer Wildwest-Serie mit den Indianern skypen – die Technologie hat einfach nix in dieser Zeit zu suchen.
Aber es ist natürlich nicht zu spät.
Das völlige Fehlen von Information in der folgenden Zukunft lässt schließlich nur den Schluss zu, dass das Experiment so desaströs scheiterte, dass in der Folge niemand mehr einen Gedanken darauf verschwendete.
So reiht sich auch die Frage, ob und wie diese experimentelle Technologie misslingt in die Spannungskurve ein, die Discovery als moderne Serie erzeugt. Allerdings schwingt diesbezüglich mehr banges Hoffen der Fans als inszenierte Dramatik der Autoren mit.
Letztendlich wird man in diesem Punkt der prominent bestückten Produzenten-Truppe wohl einfach vertrauen müssen…


Kanonbrüche und Logiklöcher.
Wie bereits beim letzten Mal kann ich der verwendeten Holokomunikation nichts abgewinnen. Sie wirkt wie schon in den Pilotfolgen noch immer völlig deplatziert und unglaubwürdig.
Der Rest der vermeintlichen Ungereimtheiten hat – wie die Verwendung des mycelialen Netzwerkes auch – noch immer die Möglichkeit, ausgebügelt zu werden.
Dürfen überhaupt Tribbles vor der Originalserie auftauchen?
Im Prinzip schon. Bereits Phlox und Hoshi Sato haben die possierlichen Tierchen gekannt und ein Mann, der wie Lorca scheinbar über einen größeren xenobiologischen Bildungshintergrund verfügt, ist durchaus zuzutrauen, dass er ein Interesse an einer solchen Spezies hegt.
Warum gibt es vor Data bereits einen Androiden ab Bord?
Noch bin ich mir auch bei (dem weiblichen) Commander Airiam nicht wirklich sicher, ob sie als Androide gezählt werden kann, auch wenn einige Hintergrundinformationen diesen Schluss nahelegen. Andererseits könnte man die Aussage, Data sei der einzige seiner Art, der je bei Star Trek diente, auch auf Soong-Androiden beziehen – auch wenn das sehr, sehr bemüht wäre.
Können denn Sternenflottenangehörige dieser Zeit wissen, wie Romulus aussieht?
Nein, denn die isolationistischen Romulaner halten zu dieser Zeit noch immer strikte Funkstille. Allerdings listet Lorca in diesem Zusammenhang wahllos einige Planeten auf, von denen ohnehin keiner zu sehen ist. Wahrscheinlich sind seine Ausführungen eher exemplarischer Natur um zu unterstreichen, wozu diese neue Wunder-Technologie in der Lage ist.
Liegt der Planet Ilari nicht im Delta-Quadranten?
Wenn schon allein das Wort 'Darmok' in einem einzigen Sektor siebenundvierzig unterschiedliche Bedeutungen hat, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch ein Planet mit dem Namen Ilari mehr als einmal in der Milchstraße vorkommt. Die Verwendung des Namens halte ich persönlich eher für einen unglücklichen Zufall, als eine absichtliche Referenz.


Ärgerlicher als solche Fragen sind hingegen die unnötigen Logiklöcher, die diese Serie begleiten.
So erschließt sich nicht wirklich, warum ausgerechnet die Sicherheitschefin verurteilte Kriminelle mit der Besatzung ihres Schiffes essen lässt.
Mal ernsthaft, es gibt genug Star-Trek-Episoden in denen man sehen kann, dass Gefangene in Arrestzellen ihre Nahrung erhalten. Warum auf einem Schiff wie der Discovery mit einer so hohen Sicherheitsstufe allen Ernstes mindestens einen verurteilten Mörder in die Nähe der Crew lässt, erscheint dann doch etwas arg konstruiert.
Ähnlich fragwürdig erscheint, warum das Weltraummonster von der USS Glenn sich dort durch massive Metalltüren kämpft, aber nach seinem Transport auf die Discovery damit begnügt, das Kraftfeld anzugreifen.
Am lächerlichsten war allerdings der Atem-Abdruck, den man für den Zugang zur Sporenzuchtstation hinterlassen musste.
Schon anhand der Art und Weise wie Burnham das Gerät überwindet kann man die weiteren Probleme erkennen:
Funktioniert er auch noch, wenn man mit einem anderen Crewmitglied vorher geküsst hat?
Oder besonders unangenehmen Mundgeruch von der Plomeek-Suppe aus der Kantine hat?
Oder ein Sternenflotten-Mentos gegessen hat?
Natürlich hat man diese Technologie zugunsten der Story eingefügt. Aber wenn man, statt einer bei Star Trek etablierten Technik wie z.B. dem Retina- oder Fingerabdruck-Scan einen so schwachsinnigen Unsinn in den offiziellen Kanon einführt, muss man sich über den Spott des Publikums nicht wundern.


Fazit.
Auch wenn die beiden ersten Folgen als Pilotfilm gelten, obliegt "Context Is for Kings" die Ehre, weitere zentrale Charaktere einzuführen, die von Spannung getragene Marschrichtung näher zu bestimmen und unter Beweis zu stellen, dass sämtliche Vorschusslorbeeren gerechtfertigt waren. Grandios ist besonders der beinahe zärtlich anmutende Umgang mit dem Kanon, der hier nicht als Hindernis, sondern Unterstützung verstanden wird.
Allerdings legen sich auch Schatten auf die Serie. Mal abgesehen davon, dass die USS Discovery ein Schiff von unbeschreibbarer Hässlichkeit ist, hat sie auch noch eine Technologie im Kofferraum, die das Potential hat, der inneren Logik Star Treks einen verheerenden Schlag zu versetzen.
Hoffen wir, dass es nie dazu kommen wird.

Bewertung.
Ein hässliches Schiff mit viel Potential.


Schluss.
Tatsächlich gelingt es der dritten Episode, den Fluch mangelnder Qualität abzuschütteln. Hinzu kommt, dass die Statistiken der jungen Serie hilfreich unter die Arme greifen: Die Zuschauerraten in den USA und Kanada gehen durch die Decke und auch illegale Download- und Streaming-Portale verzeichnen eine erhöhte Nachfrage.
Dabei muss ich – auch wenn ich ungern Werbung mache - an dieser Stelle Netflix ausdrücklich loben:
Es ist vergleichsweise günstig zu erwerben, bietet auch alle anderen Star-Trek-Serien an und kann darüber hinaus auch mit einigen zusätzlichen Schmankerl wie "For the Love of Spock", "Chaos on the Bridge" oder "Die Wahrheit liegt in den Sternen" glänzen.
Gerade wer als Fan für den Fortbestand Star Treks eintreten will, sollte einmal ernsthaft darüber nachdenken, die 7,99€ im Monat zu investieren.



Denkwürdige Zitate.

"Ich glaube Ihnen, dass Sie Reue fühlen. Aber in meinen Augen sind Sie gefährlich. Captain  Lorca ist ein Mensch der sich nicht vor Dingen fürchtet, vor denen sich normale Menschen fürchten. Ich fürchte mich. Und Sie sollte man fürchten, Michael Burnham."
Saru

"Ich weiß, wer Sie sind Michael Burnham. Ich weiß genau, wer Sie sind. Ich weiß, dass Sie gern Recht behalten. Und ich wage anzunehmen, dass Sie nichts mehr verabscheuen, als falsch zu liegen. Deshalb werde ich Sie vor einer falschen Entscheidung bewahren."
Captain  Gabriel Lorca

"Als ich noch klein war, nach dem Tod meiner Eltern hat meine Pflegemutter auf Vulkan es [Alice im Wunderland] mir und ihrem Sohn vorgelesen. Sie und ich waren die einzigen Menschen im Haus. Und dabei habe ich gelernt, dass die echte Welt nicht immer der Logik folgt. Denn manchmal ist unten oben und manchmal ist oben unten. Und wenn man sich verloren fühlt, wird man gefunden."
Michael Burnham


"Ach, ist doch nur ein Schiff..."
Captain Gabriel Lorca

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Montag, 14. Juli 2014

Der Kalte Krieg in Star Trek und Raumpatrouille Orion: Zum Vortrag von Rüdiger Zill


"Im Weltraum sind alle Krieger kalte Krieger." Chang zu Kirk in Star Trek VI - Das unentdeckte Land, Quelle: memory alpha
Der Vortrag hätte so schön werden können und begann so viel versprechend. Turon hat bereits seinen Senf zum Vortrag von Rüdiger Zill abgegeben und ich will dem in nichts nachstehen. Zill hatte sich vorgenommen interkulturelle Bezüge der Serien Star Trek-Raumschiff Enterprise und Raumpatrouille Orion herzustellen. Der Vortrag wurde dabei von einer Powerpoint-Präsentation und kleineren Filmschnipseln begleitet. Es folgte eine anschließende Diskussion mit dem Publikum. Wir fangen wie immer mit den positiven Aspekten an.

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Um den Hintergrund beider Serien zu beleuchten, ging Rüdiger Zill vor allem auf deren Produktionsgeschichten ein, was einen Großteil seines Vortrags ausmachte. Etliche dazugehörige Bilder ließen das Ganze etwas plastischer erscheinen. Kleine Einspieler bereiteten auf das Kommende vor. Der Vortrag wurde mit betonender Stimmlage gehalten, sodass man nicht sofort genötigt war auf Durchzug zu schalten. 
Inhaltlich hatte der Vortragende die nötigen Grundlagen aufgearbeitet und man merkte ihm durchaus an, dass er einiges an Recherchearbeit investiert haben musste. Vieles davon floss offenbar in die Raumpatrouille Orion. Hin und wieder flammte der Bezug zum Thema auf, wenngleich dieser verhältnismäßig kurz aber dafür prägnant ausfiel. 
Er sprach Themen wie die interkulturelle Vielfalt der Serien an und betonte, dass dies aus heutiger Sicht sicher mit der Normalität konform ginge, aber zu damaliger Zeit nicht der zeitlichen Prägung entsprach. Beide Serien profitierten, wie wir wissen von dieser Nonkonformität. Zill kam schließlich auf die Oberste Direktive zu sprechen, die wohl einer der wichtigsten Grundpfeiler der Föderation gilt. Als oberstes moralisches Prinzip bestimmt sie stets die Handlungsweisen der Crew, auch wenn diese sie gelegentlich nicht befolgt. Der Vortrag als solcher war durchaus unterhaltsam und versuchte seinen Ansprüchen gerecht zu werden.

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Er versuchte es, aber verfehlte sein eigentliches Thema. Es fehlten historische Bezüge, die sehr selten mal kurz angedeutet wurden. Der Vortrag, den Zill vorbereitet hatte, hatte jedoch mit der eigentlichen Thematik wenig zu tun. Es gab keine Hauptthese, die der Thematik voran gestellt wurde. Ich fühlte mich an diesem Abend an mein erstes Referat an der Universität Potsdam erinnert. Damals hatte ich das Thema komplett verfehlt, stammelte in meinem Vortrag und wirkte vor versammelter Mannschaft völlig unbeholfen, während ich ablas, was ich mir aufgeschrieben hatte. Es war einer dieser Urkatastrophen des Studiums, die sich gern ins Gedächtnis einbrennen und die mich in Albträumen noch heute heimsuchen. 
Wenn man mich fragt, was mir Geschichte gebracht hat, dann antworte ich meistens, dass ich lernte frei zu sprechen. Das scheint an Rüdiger Zill an diesem Abend spurlos vorbei gegangen zu sein. Der Vortrag war komplett abgelesen und seine Hände feierten stets eine Party in den Hosentaschen. Die Powerpoint-Präsentation war eine lose Ansammlung nichtssagender Bilder, die zwar mühelos den Vortrag im Allgemeinen unterstrichen, es aber nicht schafften die Worte des Vortragenden zu unterstützen. Eine absolute Beleidigung fürs Auge waren die grauen Test-Bilder und die schwarze Schrift auf dunklem Grund. 
Inhaltlich gesehen sträubten sich mir das eine oder andere Mal die Haare. Einige Aspekte, die Zill nannte, sind nämlich mehr als fragwürdig gewesen. Er sieht den Erfolg der Serien im Wettlauf der beiden Supermächte um den Weltraum von dem wir wissen, dass hier die Sowjetunion mit Projekten wie Laika, Sputnik und dem Herrn Gagarin einen großen Vorsprung hatte, bis die USA auf den Trichter kamen ein Filmstudio in den Mond zu verwandeln und eine Mondlandung zu inszenieren. Nein, im Ernst, ich glaube nicht an Verschwörungstheorien und die Mondlandung hat statt gefunden, aber Zill ging auf diesen Wettlauf nicht weiter ein, denn er fiel nur im Nebensatz. Dieses Weltraumrennen hat meines Erachtens, wenn überhaupt, einen eher kleineren Einfluss auf den kommerziellen Erfolg der Serien gehabt. Die Fans tragen bis heute einen großen Teil der Verantwortung für die Fortsetzung der Franchises.
Star Trek so Zill, sei innerhalb der TOS-Staffeln vom Wagentrek-Gedanken durchdrungen gewesen. Unglücklicherweise zeigte Zill dann auch den Ausschnitt, in dem Gene Roddenberry sagte, dass dies nur ein Vehikel gewesen sei um die Serie zu verkaufen. Tatsächlich ist Star Trek von einem explorativen Gedanken durchdrungen, aber Kirk & Co sind nicht gekommen um zu bleiben, sondern um freundschaftliche Bande mit anderen Spezies des Universums zu knüpfen. Mit dem Wagentrek der amerikanischen Kolonisation hat das recht wenig zu tun. 
Zill ging auf einige Andeutungen, die er machte nicht ein und liess sie komplett bedeutungsschwanger im Raum verklingen. Dazu gehörte die Anspielungen auf die Amazonenkönigin Penthesilea und des "Prinzen von Homburg". Erst in der Diskussion wurde zumindest der Genderaspekt beider Serien betont, wenngleich ich mich frage, was die Gender-Diskussion mit dem Kalten Krieg als Thema zu tun hat. Diese Bezüge aussen vor zu lassen und sie nur am Rande zu erwähnen machte es für den Laien etwas schwer zu folgen. Wenn der Vortrag schon für ein Publikum außerhalb der Geisteswissenschaften geschrieben worden ist, hätte ich mir gewünscht, dass auf diese Vergleiche genauer eingegangen wird. 


Genderdebatten in Star Trek wären schon eine eigene Lesung wert.

Die nachfolgende Diskussion glich einer Altherrenrunde, die alte Geschichten miteinander austauschte und so dem lauschenden Publikum das Gefühl zu vermitteln, nicht teilhaben zu können. Zudem wurde mir das Thema von der Moderatorin zu sehr in die Genderdebatte gelenkt. Wir sind uns sicher einig, dass das Frauenbild bei beiden Serien eher unterirdisch repräsentiert zu sein scheint und sie im Zweifelsfall eher Stichwortgeberinnen waren. Uhura jedoch als Telefonistin unter Kirk abstempeln zu wollen, wird ihrer Rolle nicht gerecht. Unter Star Trek-Fans ist der erste Fernseh-Kuss zwischen einer schwarzen Schauspielerin und einem weißen Darsteller mittlerweile berühmt. Die Frauen in RPO wirken wie die abgebrühten Versionen ihrer männlichen Pendants. Beiden Serien ist allerdings zu eigen, dass sie versuchen eigene Wege zu gehen, sich aber nicht wirklich in ihren Geschlechterbilden unterscheiden. Die Frau ist in beiden Serien immer noch Anschauungsobjekt und dient dem männlichen Begehren als "Love interest". Hier wirklich eine Serie mit ihren vorhandenen Rollenklischees als führend in der Geschlechterbildebatte hervorheben zu wollen, zeugt meiner Meinung nach von einer Fehlinterpretation. 

Meine Frage, ob sich das zukünftige Bild der Menschheit bei Star Trek eher aufhellt, wurde übrigens damit beantwortet das RPO nur 7 Folgen Zeit hatte, seine Geschichten zu erzählen. Das mag sicher sein, aber das ist keine Begründung für den anderen Weg der Verständigung, den die Crew der Enterprise im Laufe ihrer drei Staffeln ging. Ebenso hätte es auch hier Mord und Totschlag geben können sowie beständige Kriege mit einem ewigen Feind im Hintergrund. Ich verweise damit auf die Sichtweise unseres Interviewpartners Prof. Dr. Pröve, der in Star Trek immer die diplomatischen Wege der Serie hervorgehoben hat. So wirkte das Ganze leider wie ein Schlagabtausch und anstatt einer der beiden Serien zu unterminieren, denn gelegentlich neigte Zill dazu einer der beiden Serien abzuwerten, hätte er besser daran getan, sich die Bezüge zum Kalten Krieg genauer anzusehen. Diese waren ins einem Vortrag äußerst spärlich ausgefallen. 

Fazit
Ich hatte mehr erwartet und wurde leider maßlos enttäuscht, denn auch die anschließende Diskussion der Teilnehmer, die gewiss einen teil des Kalten Krieges miterlebt hatten, führte für mich leider in die falsche Richtung. In unserer Runde nach der Lesung kamen wir dann schließlich zum dem eindeutigen Ergebnis: Thema verfehlt. Ich hätte jetzt noch stärker auf die philosophischen Bezüge eingehen können, aber ich habe weder ethische noch metaphysische Ansätze im Vortrag finden können und wenn dann waren es sicher kurze Erwähnungen, die kein Gewicht im Vortrag fanden. Die literarischen Bezüge sind sicher interessant, jedoch fehlte mir hier die Einbettung in das Thema weswegen der Prinz von Homburg-Bezug spekulativ bleiben muss, auch wenn es für Zill hier sicher offensichtliche Deutungen gibt. Der sechste Teil der Filmreihe gibt sehr deutliche Bezüge auf den Kalten Krieg mit teilweise direkten Zitaten wieder, sodass ich mir gewünscht hätte, Zill wäre darauf zumindest kurz eingegangen, aber so blieb der Vortrag leider hinter den Erwartungen zurück. 

Samstag, 6. Juli 2013

Zwei Monate Dunkelheit und eine Tischlampe

Star Trek Into Darkness ist gut zwei Monate im Kino und hat momentan weltweit 412 Million Dollar umgesetzt. Eine Höhe, die Into Darkness zum erfolgreichsten Star Trek Film aller Zeiten macht. Faktoren des Erfolgs sind mit aller Wahrscheinlichkeit die breite Zielgruppe, die J.J. Abrams mit seiner Interpretation des Franchises anspricht und der 3D-Zuschlag, der trotz relativ gleicher Zuschauerzahlen zu Star Trek 11, den Umsatz des Films noch einmal erhöht. Wie auch immer, viele Rezensionen des Films warpen durch das Netz. Zwei von ihnen sind auch auf unserem Blog zu finden (Turon47, Rok). Eine Star Trek Into Darkness- Rezension hingegen ist mir dabei besonders aufgefallen, diese möchte ich euch einmal vorstellen.

Quelle: Screenshoot: Star Trek Into Darkness Trailer
Durch mein Stöbern in den Weiten des Weltnetzes bin ich auf eine sehr gute Filmrezension zu Star Trek Into Darkness gestoßen. Die Rezension stammt von Wolfgang M. Schmitt jun., der den Youtube-Kanal „Filmanalyse“ betreibt. Seine Rezension spricht mir in weiten Teilen aus der Seele. Er geht hierbei auf das verschenkte philosophische Potential des Films ein. Dabei gibt er ehrlich zu, zuvor nie ernsthaft mit Star Trek in Berührung gekommen zu sein und beleuchtet den Film aus einen wie ich finde sehr frischen Blickwinkel.

Wenn man Wolfgang Schmitt so zuhört, fällt sehr schnell sein sehr aus dem üblichen Rahmen fallender Erzählstil auf. In seiner Kanalbeschreibung liest man, dass er filmische Großproduktionen aus einer etwas anderen Perspektive betrachtet. Das merkt man seinen Videokommentaren sofort an. Durch ihre Aufmachung unterscheiden sich seine Rezensionen sehr von üblichen Kommentaren. Anfangs habe ich sehr voreingenommen wegen seinem doch eher spießbürgerlichen Auftritt (Sakko, antike Tischlampe, Bücherregal) die ersten Minuten seines Star Trek Reviews geschaut. Dem ungeachtet erklärt er messerscharf, woran der Film krankt. Er kritisiert die Handlung, die zweifelsohne auch im Amerikanischen Bürgerkrieg hätte spielen können: Aus alt mach neu. Dazu biete der Film eine ganz klassische Gestaltung der Charaktere, ihrer Beziehungen zu- und Interaktionen untereinander (Stichwort: Familienbild). Auch vom Erzählirischen präsentiere der Film eine ja fast konservative Geschichte, nichts im Sinne von wahrnehmungsveränderndes, wie es sich für das Science Fiction Genre doch anbiete. Star Trek Into Darkness zeige somit kein neues Universum, sondern das bekannte – also unser Universum mit all seinen negativen Einflüssen, wie Krieg, Terror oder Rache – nur in einem neuen hochtechnolgischen Anstrich.

Hier die Rezension von "Filmanalyse"
Meine Meinung: Als Besonderheit seiner Rezensionen steht am Ende immer das Zitat von Andrej Tarkowskij: Wir schauen nur, aber wir sehen nicht. Mit diesen Worten lässt sich sehr gut die momentane Mehrheit der Kinogängerschaft – auch im Bezug zur Zielgruppe, die Abrams mit seinen Star Trek Filmen anspricht - beschreiben: konsumiert wird viel Effekt um (relativ) nichts. Ein Trend, der sich im Blockbusterkino immer weiter fortsetzt. In dieser Hinsicht kann man auch behaupten, das Kino stecke in einer Innovationskrise. Dieser Aspekt trifft auch auf den neuen Star Trek Film zu. Anders, so scheint es, kann man Science Fiction nicht mehr präsentieren.
Es soll aber keine Herabsetzung eines doch gut gemachten Actionfilms sein. Es zeigt aber, welch erzählerisches Potential in Star Trek steckt und was für Möglichkeiten die Filmindustrie verschenkt. Die Filmtechnik macht es doch theoretisch möglich Zuschauer in völlig neue Welten zu entführen, die noch niemand zuvor gesehen hat. Wann ist es soweit?
Quelle: Screenshoot: Star Trek Into Darkness Trailer