Mittwoch, 28. Dezember 2016

Turons Senf zum Seuchenjahr 2016


Es ist mal wieder diese spezielle Zeit des Jahres angebrochen, in denen man sich von mehr oder weniger sehenswerten Jahresrückblicken kaum mehr retten kann. Überall, in Zeitungen, im Fernsehen und natürlich im Internet gilt es allenthalben, das noch nicht einmal in Gänze zurückliegende Jahr zu analysieren, sezieren und vor allem zu kommentieren.
Dabei scheint das einhellige Urteil über das Jahr 2016 längst gefällt:
Es ist das Jahr der prominenten Todesfälle und selbst die ARD tarnt einen unverhohlenen Sammel-Kondolenzartikel in diesem Zusammenhang mit dem Untertitel "Jahresrückblick 2016".
Dabei spiegelt die "Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland" eigentlich nur die breite öffentliche Meinung wider. Das Internet ist voll von Anti-2016-Memes, Wortmeldungen wie "Fuck You 2016!", "Es reicht jetzt wirklich, 2016!" oder "Dammit 2016 it's enough!!!!" überfluteten in regelmäßigen Abständen immer wieder  soziale Medien wie Facebook und selbst jemand wie der nicht gerade für seinen zimperlichen Umgang mit dem Tod bekannte George R.R. Martin nutzt seine Prominenz, um lieber das Jahr 2016 zu verfluchen, als sein Buch "The Winds of Winters" zu Ende zu schreiben.


Und tatsächlich, blickt man nun auf prominente Todesfälle des Jahres wie David Bowie, Alan Rickman, Prince, Muhammed Ali, dem viel zu jung verstorbenen Star-Trek-Schauspieler Anton Yelchin, Bud Spencer, Fidel Castro, Leonard Cohen, George Michael und zuletzt auch Star-Wars-Ikone Carrie Fisher (um nur eine kleine Auswahl zu nennen), kommt man tatsächlich nicht umhin zu bemerken, dass der Sensenmann dieses Jahr besonders wild gewütet zu haben scheint.
Hinzu kommen aufsehenerregende Terroranschläge im Herzen Europas, der Siegeszug der Populisten in Großbritannien, den USA und der Türkei und schwere Erdbeben in Italien. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass 2016 einfach mal ein Scheißjahr war.
Die Worte "Haben sie nicht auch schon gefühlt, wie Ihnen die Zeit verrinnt? Sie ist wie ein Raubtier: Sie schleicht sich an Sie heran. Sie können versuchen ihr zu entkommen, mit Ärzten, Medizin, neuen Technologien; aber am Ende wird die Zeit Sie unerbittlich einholen. Sie wird Sie erledigen." aus dem Munde Dr. Tolian Sorans aus dem siebenten Star-Trek-Kinofilm "Treffen der Generationen" hallen in diesem Zusammenhang beinahe zwangsläufig in den Gehirnwindungen des ein oder anderen Star-Trek-Fans nach.


Aber kann man das wirklich so sagen?
Neben den schlechten Nachrichten, die ohnehin besser im kollektiven Gedächtnis hängenbleiben als positive Meldungen, gab es doch die ein oder andere Neuigkeit, die das Jahr in einem anderen Licht erscheinen lassen.
So gibt es seit diesem Jahr einen Impfstoff gegen Ebola, Pandabären, Suppenschildkröten und Buckelwale sind nicht länger akut vom Aussterben bedroht und in Kolumbien haben sich die Regierung und die FARC-Rebellen nach einem Jahrzehnte andauernden, blutigen Bürgerkrieg auf einen Friedensvertrag geeinigt (um wiederum nur eine kleine Auswahl zu geben).
Gerade für uns Star-Trek-Fans war 2016 darüber hinaus ein ganz besonders schönes Jahr: Die Franchise feierte ihr fünfzigjähriges Bestehen, der dreizehnte Kinofilm wurde veröffentlicht (und geht erstaunlich sensibel mit dem Thema 'Abschied von Verstorbenen' um) und die nächste Star-Trek-Serie nimmt immer mehr Form an.


Und war 2016 denn wirklich so viel schlimmer als 2015?
Es ist interessant, dass dem Jahr 2015 anno dazumal eine nicht minder große Abneigung entgegengebracht wurde, als Legenden wie Leonard Nimoy, Terry Pratchett, Günter Grass, Grace Lee Whitney, B.B. King, Christopher Lee, James Horner, Roddy Piper, Wes Craven, Henning Mankell, Helmut Schmidt oder Lemmy Kilmister (um nochmals nur eine kleine Auswahl zu nennen) das Zeitliche segneten.
Die traurige Wahrheit hängt dabei in gewisser Weise mit dem 50. Jubiläum Star Treks zusammen.
Die Science-Fiction-Reihe ist ein Teil der Popkultur, und kann zweifellos zu deren frühesten Auswüchsen gezählt werden. Wenn die Popkultur nun zusammen mit Star Trek um die fünfzig Jahre alt ist, kann man sich ausmalen, dass auch deren verschiedene Schauspieler, Sänger und sonstigen Protagonisten damals um die zwanzig bis dreißig Jahre alt gewesen sein müssen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass sie nach eben jenen fünfzig Jahren mittlerweile selbst siebzig bis achtzig Jahre alt sind.
Oder anders ausgedrückt: Viele der Stars, mit denen wir auf Kinoleinwänden, auf Fernsehbildschirmen oder in Illustrierten aufgewachsen sind, die wir angebetet haben und die unsere Liebe zu einem Teil der Popkultur begründeten, sind mittlerweile längst im Rentenalter.
So zählt William Shatner stolze 85 Lenzen. Patrick Stewart, eigentlich das (haarlose) Oberhaupt der nächsten Generation ist 76 Jahre alt. Und selbst Scott Bakula, der den Captain in der bislang letzten Star-Trek-Serie "Enterprise" mimte, ist mit 62 Jahren lediglich zwei Jahre älter als die kürzlich verstorbene Carrie Fisher.
Und wer glaubt, dass das fortschreitende Alter ein Star-Trek-spezifisches Problem sei, sollte seine rosa-rote Brille nunmehr schleunigst absetzen.
Schauspieler wie Harrison Ford, John Cleese oder Sean Connery sind mittlerweile 74, 77 und 86 Jahre alt.
Musiker wie Neil Young, Paul McCartney oder der diesjährige Nobelpreisträger Bob Dylan haben bereits ein Alter von 71, 74 und 75 Jahren erreicht.
Comiczeichner wie Gary Larson, Albert Uderzo oder Stan Lee zählen mit 66, 86 und 94 Jahren auch nicht mehr zu den jüngsten ihrer Garde.


Nun wünscht man natürlich niemandem dieser Personen den Tod. Andererseits kann aber auch nicht jeder wie jüngst der rüstige Kirk Douglas einhundert Jahre alt werden.
So traurig es ist, aber die vielen prominenten Todesfälle des Jahres 2016 sind keineswegs ein trauriger Höhepunkt der Menschheitsgeschichte, sondern ein logischer Schritt in der Chronologie der Popkultur, die mit jedem fortlaufenden Jahr zwar immer geschichtsträchtiger, aber auch immer betagter wird.
Und nicht nur die Popkultur an sich wird älter, sondern auch wir Fans, Rezipienten und Mitläufer mit ihr. Es ist für die nahe und ferne Zukunft abzusehen, dass wir noch viele Tode vieler beliebter, verehrter und vergötterter Stars miterleben müssen.
Dieses 2016 war daher nicht eine einsame Spitze in der Statistik, sondern nur der Anfang einer traurigen Entwicklung, die das nun anstehende Jahr 2017 aller Voraussicht nach wohl kaum ein Deut besser werden lässt.


So ist es an uns selbst, das Beste daraus zu machen. Unser Umgang mit dem Tod von Legenden wie Leonard Nimoy, David Bowie oder Carrie Fisher sollte mehr beinhalten, als das Jahr zu verfluchen, dass im Grunde nicht dafür verantwortlich ist, dass der Kreislauf des Lebens eben auch den Tod mitinbehält. Schließlich werden einzigartige Menschen mit einer spannenden Biografie so nur ein weiterer Name auf einer dem Zufall geschuldeten Liste.
Stattdessen sollten wir uns an die Leistungen jeder einzelnen verstorbenen Person erinnern, ihr Werk in Ehren halten uns vor allem mit ihren Botschaften, Ansichten und Denkansätzen auseinandersetzen.
Denn wie bemerkte Picard im bereits angesprochenen siebenten Star-Trek-Kinofilm so schön?

 "Jemand hat mir mal gesagt die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen. Was wir hinterlassen ist nicht so wichtig wie die Art, wie wir gelebt haben.
Denn letzlich
[...] sind wir alle nur sterblich."



13 Kommentare:

  1. Woraufhin Riker erwidert: "Sprechen Sie nur für sich selbst, Sir. Ich habe vor, ewig zu leben."
    In diesem Sinne: 2017 kann kommen!

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  2. ich schau mir dann immer meinen daumennagel an. das wird sich jetzt alles ein wenig abgehoben lesen, aber dieses kleine stück horn war bei der enstehung des universums dabei. zugegeben, damals noch in anderer form, aber es hat den großen knall miterlebt, ist 800000 jahre durchs all getrieben, zusammen mit der ganzen anderen protomaterie, hat sich irgendwann mit anderer materie verklummt, immer mehr, bis sich unter dem gewicht des ganzen das innere entzündet hat und die ersten sonnen entstanden sind. dann war mein daumennagel millionen von jahren im inneren einer sonne und hat freudig vor sich hingeglüht, bis die sonne irgendwnna ausbrannte, in sich zusammenfiel und zur supernova wurde. was für eine wiege für alle von uns und ohne daß eine sonne gestorben wäre, würde es uns heute nicht geben, die schwereren atome können nur so entstehen. mein daumennagel ist dann noch etliche jahrmillionen durchs all geflogen, aht galaxien werden und vergehen sehen, riesige nebel und vielleicht die eine oder andere zivilisation. und irgendwann ist er in den gravitationsbereich der sonne geraten und hat sich im richtigen moment eingefunden, um bei der entstehung der erde dabei zu sein. und als das erste wasser floß, ist er herausgewaschen worden, mit den strömungen um die welt gewandert, um das erste leben entstehen zu sehen und generationen davon zu begleiten, als pflanze, insekt, auch mal als ein häufchen. er hat die erste intelligenz auf unserem planeten miterlebt und den weg bis zu letztendlich diesem eintrag hier. und er wird noch da sein, wenn ich als funktionierendes konzept längst nicht mehr da bin, zwar in anderer form aber bereit neue abenteuer zu erleben. wir alle sind nur kleine augenblicke in einer viel größeren geschichte. genießt das leben und denkt dran: ihr wart man in einer sonne!!! ist das nicht geil!!!

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    1. Das klingt so, als dürfe man nicht trauern und müsste den ganzen Tag dauergrinsend über den Globus schreiten. Sry, aber ich ziehe es vor, für mich selbst zu entscheiden, wann ich wie traurig bin oder wann und warum ich lache. Schmerz, so hat es Shatner im unsagbaren fünften Film ausgedrückt, ist es etwas sehr menschliches(auch wenn das jetzt rassistisch klingt, sry liebe Klingoten). Ich weiß, was du meinst. man soll das alles nicht so eng sehen, weil Menschen kommen und gehen und klar: betrachtet man alle Zeit zusammen, sind wir geradezu winzig. Nichstedestotrotz heißt das nicht, dass wir keine Gefühle zeigen dürften, weil jemand gestorben ist, der für uns Bedeutung hatte. Im Gegenteil!

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    2. du interpretierst etwas in meinem kommentar, das ich nie geschrieben habe. jede facette der menschlichen existenz ist teil der geschichte. egal, wie lang oder kurz, gut oder schlecht sie ist, ohne sie ist die geschichte, auch die von meinem daumennagel unvollständig. und der wunsch, das leben zu genießen schließt leid nicht aus. im gegenteil. 2007 ist mein vater an bauchspiecheldrüsenkrebs gestorben und das war eine schreckliche zeit. du glaubst gar nicht, wie wertvoll die momente waren, als ich im sommer nach seinem tod mit seinem hund auf der wiese gespielt habe und der hund sich vor freude und glück auf dem rasen gewälzt hat. egal, wie das leben verläuft, es gibt diese momente. das soll man nicht vergessen.

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  3. Erstmal vielen Dank an Turon, für den sehr passenden Beitrag für dieses schreckliche Jahr 2016. Gut zu wissen das es auch noch andere Menschen gibt denen das auffällt, was dieses Jahr alles passiert ist und schön war es nicht. Von Anfang bis Ende war es einfach nur schrecklich fast jede Woche ist irgendwas passiert und meistens nichts gutes. Ich kann nur hoffen das es nächstes Jahr nicht so weitergeht, dieses Jahr hat mir schon gereicht. :-(

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    1. ... äh, "Gut zu wissen das es auch noch andere Menschen gibt denen das auffällt, was dieses Jahr alles passiert ist und schön war es nicht"? Turons Beitrag fängt doch damit an, dass es wirklich jedem auffällt und in den Medien breitgetreten wird. Und dann geht er einen ganzen Schritt weiter und erklärt, dass a) die Jahre davor kaum anders waren und b) die nächsten Jahre auch nicht besser werden.

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    2. Hi Tatzel, ja stimmt mein Satz war ein wenig unglücklich formuliert, aber die meisten Personen die ich so sehe, besonders auf der Straße und in den Öffentlichen, haben für mich in meinen Augen, keinerlei Beziehung zu solchen Dingen mehr, außer natürlich die ältere Generation, wer kennt denn heute noch Umberto Eco, Manfred Krug oder Ken Adam, alles Menschen die heute völlig in Vergessenheit geraten sind, um nur ein paar zu nennen.
      Dass das neue Jahr 2017 nicht besser wird weiß man selbst, wenn man sich die jetzige politische Lage betrachtet, aber man sollte ja nicht immer alles so schwarz sehen. ;-)

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  4. Spannend, was hier aus Turons Artikel entsteht...und es gefällt mir! Das zeigt doch, wie vielfältig das Leben gesehen werden kann. Ja, Tod ist da auch nur ein Teil des Ganzen, gehört nun mal dazu. Und sterben wird alles einmal, Jim, Nimoy, Mots Daumennagel - ja sogar jede Philosophie, jeder Gedanke, die Erde, die Sonne - das Universum. Es kommt darauf an, wie man als denkendes und fühlendes Wesen damit umgeht. Trauern ist etwas ganz wichtiges, und irgendwie können Familie, Freunde oder sogar ein solcher Blog hier dabei echt helfen. Auch wenn wir uns hier alle nicht persönlich kennen, ich freu mich immer über Kommentare der üblichen Verdächtigen, ist ein bisschen wie "zu Hause sein". Also macht weiter so, Danke für eure Meinungen, für gute Streitgespräche und lustige Anmerkungen. So, das war jetzt wie das Wort zum Sonntag...mir war grad so ;) LLAP

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  5. - "Vergessen Sie’s. Vielleicht könnten wir ein wenig zusammen philosophieren. Leben, Tod, Leben...das ist unergründlich."

    - "Ich hatte auf Vulkan keine Zeit Philosophie zu repertieren."

    – "Wollen Sie mich nicht verstehen Spock, reden Sie doch offen mit mir! Sie waren jenseits einer Grenze, die noch kein Mensch überschritten hat. Können Sie mir sagen wie es dort war?"

    – "Darüber kann ich nur mit jemanden diskutieren, der das auch schon erlebt hat."

    ;)

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  6. vielleicht etwas off topic:

    http://www.nextfunny.com/gag/1046/this-is-not-going-to-end-well.html

    vielleicht auch nicht.

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  7. "Worüber muss ich offen reden? Das ich oft falsch entschieden habe? Das ich nach links ging statt nach rechts? Ich kenne meine Schwächen und der Schmerz der aus unseren Fehlentscheidungen entsteht, macht uns zu dem was wir sind. Ich brauche meinen Schmerz um zu wissen wer ich bin"

    James T. Kirk

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  8. ICH WÜNSCHE EUCH ALLEN EIN GLÜCKLICHES NEUES JAHR 2017!!!

    Rutscht alle gut rein ins neue Jahr und feiert ordentlich, ich werde auch gleich mal eine Flasche romulanisches Ale köpfen!!! ;-)

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