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Samstag, 20. April 2019

Turons Senf zu "Süße Trauer, Teil II" [Star Trek Discovery, S2Nr14]

Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Süße Trauer, Teil II", die vierzehnte Folge der zweiten Staffel von "Star Trek: Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und vorangegangene Episoden bereits gesehen hat.

I. Einleitung.
Schneller als gedacht ist die zweite Staffel Discovery auch schon wieder vorbei und nun bricht die Zeit an, eine Bilanz dieser vierzehn Folgen zu ziehen. Die fällt am Ende bestenfalls durchwachsen aus.
Immerhin muss man der Serie zugutehalten, dass mit der Versetzung Pikes auf dieses Schiff ein neuer Geist Einzug ins oftmals eher deprimierende Sternenflottendasein der Charaktere Einzug hielt. Anson Mount vermochte es im Alleingang jene Werte zu transportieren, die man gemeinhin als Star-Trek-Ideale bezeichnet.
Außerdem gab es insbesondere zu Beginn der Staffel einige sehr gute Episoden, denen es gelang, das ein oder andere Ausrufezeichen zu setzen, Forschergeist zu transportieren und auch inhaltlich zu überzeugen. Zusammen mit einer Fokussierung auf das frühe Schicksal der toll in Szene gesetzten Star-Trek-Ikone Spock, dem ein oder anderen recht nostalgischen Moment und dem Einbezug der gesamten Mannschaft glückte es Discovery des Öfteren, den langen Schatten der Vergangenheit abzuwerfen und sich in der Tat als moderne Star-Trek-Serie zu präsentieren.
Doch dann kam ein etwas unerwarteter Einbruch. Ab der Mitte der Staffel ging den Autoren scheinbar der Erzählstoff aus und die gesamte Serie verfiel in alte Strickmuster. Michael Burnham wurde - bald noch mehr als in der ersten Season – zum alleinigen Zentrum des Geschehens, die Figuren an ihrer Seiten wurden zunehmend in den Hintergrund gedrängt und auch inhaltlich vermochten die einzelnen Episoden kaum mehr eine Balance zwischen Handlung und überemotionalen Dialogen zu finden.
Kurzum: So sorglos wie unbedarft verspielte man die mühsam aufgebauten Fortschritte, die bis dato geschaffen wurden.
Nun aber schickt sich das große Staffelfinale an, den größeren Bogen zu schließen. Nachdem dessen erster Teil den hohen Erwartungen bereits nicht einmal ansatzweise gerecht werden konnte, dürfen wir gespannt sein, ob es der letzten Folgen doch noch gelingt, die Kohlen aus dem Feuer zu holen…



II. Story.
In den unendlichen Weiten des Weltalls treffen zwei gigantische Flotten aufeinander: Auf der einen Seite jene von der Discovery und der Enterprise angeführte Meute aus Shuttles, Pods und sonstigem flugfähigen Material, dass die Besatzungen, die Königin von Xahea oder die Shuttlehangare der beiden Schiffe zusammenkratzen konnten. Auf der anderen Seite steht eine Armada aus mehr als dreißig Sektion-31-Schiffen, die ihrerseits überflüssige Schiffsbauteile für Miniflugkörper geopfert hat.
Nachdem sich beide Föderationsschiffe abermals weigern, Control die wichtigen Sphärendaten zur Entwicklung einer rücksichtslosen Superintelligenz zu übergeben, beginnt eine gigantische Weltraumschlacht. Doch während auf den Brücken die Drähte heißlaufen und man sich verzweifelt gegen die Feuerkraft des Gegners aufzulehnen versucht, finden auf den Decks ganz andere Grabenkämpfe statt:
Ein Team um Michael Burnham versucht hektisch, den fortschrittlichen Anzug des Roten Engels zusammenzuschustern, auf der Enterprise unternimmt man verzweifelte Maßnahmen, um einen nicht detonierten Photonentorpedo zu entschärfen und auf den wackligen Gängen der Discovery bemüht sich Georgiou zusammen mit dem Sicherheitsoffizier Nhan nach Kräften, ihren früheren Vorgesetzten Leland davon abzuhalten, sich der heißbegehrten Daten zu ermächtigen.
Als es Burnham endlich gelingt, in ihren Anzug zu schlüpfen und den waghalsigen Plan, die Discovery in die Zukunft zu katapultieren in die Realität umzusetzen, stößt sie zusammen mit ihrem Adoptivbruder Spock auf ein unerwartetes Problem:
Während Sich das Schlachtenglück mehr und mehr zugunsten Lelands und seiner Sektion-31-Horde wendet, gelingt es ihr trotz frisch zusammengeschraubtem Anzug nicht, ein Wurmloch erzeugen, dass sie, die Discovery und das gesamte Leben in der Galaxis retten könnte…



III. Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Einer meiner Lieblingsmomente dieser Folge war jener, als bei der Befragung der Sternenflottenoffiziere jeder der Anwesenden seinen Namen und Rang zu Protokoll geben musste. Während Ash Tyler und Christopher Pike dies vorschriftsgemäß taten, hielt Rebecca Romjin den Mythos um ihre namenlose Rolle aufrecht, indem sie sich als 'Nummer Eins' vorstellte.
Und doch löst Discovery dieses fünfzig Jahre alte Rätsel ein Stückweit, als Pike seinen ersten Offizier beim Vornamen 'Una' nennt (in der deutschen Synchronisation klingt es eher wie 'Nuna'), was bei Lichte besehen eigentlich auch nicht viel anderes als 'Eins' bedeutet, aber immerhin eine Brücke zur Star-Trek-Bücherwelt schlägt, wo der Charakter unter anderem diesen Namen vierliehen bekam.
Es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer Anleihen an andere Star-Trek-Filme und -Serien. Etwa der Weltraumparcours, den Burnham im Anzug des roten Engels ableistet und der sicherlich nicht ganz zufällig an optisch äußerst ähnliche Aktionen in "Star Trek [2009]" oder "Star Trek Into Darkness" erinnert. Zusammen mit dem Kampf auf Raumschiffgängen, deren Schwerkraft sich beim Ringen und Laufen ändert erinnert es - ähnlich wie die Ansichten San Franciscos - wohl nicht von ungefähr an jene Reboot-Filme, an denen Produzent Alex Kurtzman ebenfalls beteiligt war.
Aber das ist nur ein kleiner Teil eines größeren Ganzen.
Wie hören mal wieder etwas von der guten alten '47', die Vorschrift 157 Paragraf III, den altehrwürdigen klingonischen Sinnspruch 'Heghlu'meH QaQ jajvam' und einen Auszug jenes Sun Tzu, den bereits Riker in "Der Wächter" auf ähnlich aufmerksamkeitsheischende Art und Weise zitierte.
Daneben gibt es einen Wurmlocheffekt, der gleichermaßen an "2001: Odyssee im Weltraum" wie "Star Trek - Der Film" denken lässt, ohne aus der Zeit gefallen zu wirken.
Besonders angetan war ich allerdings von einem unauffälligen klingonischen Offizier, der L'Rell auf ihrem Spaltschiff zur Seite stand. Der gute Mann hörte nämlich auf den Namen K'Vort, was viele Fans an den inoffiziellen Namen jener Raumschiffklasse erinnert, die gemeinhin als 'klingonischer Bird of Prey' bekannt ist. Den vermeintlichen Namensgeber dieses legendären Schiffstyps einzuschmuggeln ist eine fantastische Idee, die die immensen Möglichkeiten aufzeigt, die eine Serie hat, die gut zehn Jahre vor der Originalserie angesetzt wurde und einige Löcher in der Geschichte stopfen könnte.
Doch leider war dies wohl einer der letzten derartigen Momente…



Leichter Ausweg.
Hätte man es mir im Vorfeld erzählt, so hätte ich nicht geglaubt, dass die Produzenten diesen Weg wählen würden, um die zweite Staffel zu beenden. Die Flucht nach vorn ins dreiunddreißigste Jahrhundert vollzieht einen Looping aus dem Stand und markiert eine 180°-Wende, die es in dieser Form noch nie in der Star-Trek-Geschichte gegeben hat.
Doch diese Premiere ist mitnichten ein perfekter Weg. Sie ist Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die von Beginn an ein Setting in einer Ära zehn Jahre von Captain Kirks historischer Fünfjahresmission monierten. Sie bedeutet ein Einknicken gegenüber allen Beschwerden, die der Serie konstante Fehlgriffe in Design, Einhaltung der Zeitlinie und massive Kanonbrüche vorwarfen. Es ist ein Gesichtsverlust und ein Messer in den Rücken jener tollkühnen Visionäre, die einst diesen mutigen Startpunkt ausgewählt hatten.
Dieser Rückzug in die Zukunft ist vielleicht kein perfekter Weg, aber es ist definitiv besser so.
Nicht nur, weil man sich so doch noch jener Vision Bryan Fullers nähern (vgl. dazu die Einleitung in "Tal der Schatten"), einen schlaglichtartigen Einblick in die Geschichte der Föderation zu liefern, sondern vor allem, weil es den Kurs jener Appeasement-Politik folgerichtig abschließt, den Discovery zu Beginn dieser Staffel einschlug.
Denn Hand auf's Herz:
Die Geschichte Discoverys ist bislang vor allem eine Geschichte von Fehltritten und deren Revidierung. Die Klingonen haben wieder Haare, die revolutionäre Holokommunikation ist abgeschafft und die Existenz eines Spiegeluniversum geheime Verschlusssache. Nun wird dieser Katalog um die Existenz des Sporenantriebs, das Wirken eines Roten Engels und die gesamte Discovery erweitert.
Ganz offensichtlich setzt Neu-Produzent Alex Kurtzman in radikaler Form auf Schadensbegrenzung, nachdem die Discovery zuvor wie ein Elefant im Porzellanladen ohne Rücksicht auf Verluste durch die Star-Trek-Historie pflügte. Frei nach dem Motto 'Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende' bricht man mit einem weiteren Kritikpunkt der Serie und bemüht sich im gleichen Atemzug auch alle anderen mit dem Mantel des Vergessens zu verhüllen.
Darüber hinaus gilt es auch dankbar zu sein, dass sich Befürchtungen, wie jene, die Discovery könnte am Ende für die Entstehung der Borg verantwortlich sein, trotz passender Gelegenheiten nicht erfüllt haben.
Aber auch wenn das alles verständlich ist, muss ich persönlich zugeben, dass mich ein wenig Wehmut beschleicht. Inzwischen habe ich mich an die Discovery in dieser Zeit gewöhnt und insbesondere seit der Ankunft Christopher Pikes war ich gewillt, dem unheilvollen Treiben allem Unbill zum Trotz mein ungeteiltes Interesse entgegenzubringen. Nun aber bietet sich diese Chance nicht mehr und wir müssen uns auf ein völig neues Setting einlassen.
Wäre da nicht das Ende der Folge, das sich vor allem wie ein idealer Pilotfilm für die Abenteuer einer USS Enterprise unter dem Kommando Christopher Pikes anfühlte, der sich mit Offizieren wie Nummer Eins, Spock oder Signalmeister Colt anschickt, jene Geschichten über das legendärste Sternenflottenschiff der Geschichte zu erzählen, von denen wir noch nichts wissen.
Denn während dieser Spinn-Off geradezu danach schreit realisiert zu werden, sehe ich eine Sektion-31-Serie unter Beteiligung Michelle Yeohs in weiterer Ferne gerückt als jemals zuvor…



Charaktermomente.
Was war das für ein Schaulaufen!
Wer letzte Woche noch nicht die Gelegenheit hatte, sein Gesicht freudig in die Kamera zu strecken, darf diesen Missstand nun endlich aufholen! Neben Philippa Georgiou, Admiral Katrina Cornwell, Nhan, Leland, Amanda Grayson, Nummer Eins, Me Hani Ika Hali Ka Po oder Jett Reno dürfen sich nun auch noch L'Rell und Siranna in diesen munteren Reigen einreihen.
Wobei mit diesen Auftritten nicht immer wirklich inhaltliche Konsequenzen einhergehen. So bleiben die Auftritte Mia Kirshners (Amanda Grayson), Yadira Guevara-Prips (Po) oder Hannah Spears (Siranna) in ihrem Umfang so begrenzt, dass sie eine nähere Betrachtung in diesem Rahmen kaum rechtfertigen.
Immerhin bleibt Sonequa Martin-Green als Michael Burnham erspart, sich mit kaugummiartig ausgedehnten Dialogen den Unmut der Zuschauer auf sich zu ziehen. Stattdessen findet sie eine angenehme Balance, die ihren persönlichen Abschied (inklusive Lebensratschlägen) viel seriöser als jeden Abschied des Vorgängers wirken lassen.
Nicht minder gut präsentiert sich Ethan Peck bei seinem (vorerst) letzten Auftritt als Spock. Insbesondere seine Dialoge mit seiner Ziehschwester knistern nahezu vor Spannung und seine finale Entscheidung, auf die inzwischen zur Sehgewohnheit gewordene Gesichtsbehaarung zu verzichten, zählt zu den besseren Szenen der Folge.
Der dritte Ausnahmedarsteller im Bunde bleibt Anson Mount, der in seiner Funktion als Captain Pike während der Schlacht vielleicht nicht unbedingt die beste Figur abgibt, aber insbesondere in den Schlusssequenzen seinen positiven Einfluss auf die gesamte Staffel noch einmal unterstreicht. Darüber hinaus verdeutlicht seine energische Darstellung, welch großartige Wahl er für eine Enterprise-Serie mit Pike am Ruder wäre.
Danach kommt erst einmal lange nichts.
Bis Michelle Yeoh sich über den Bildschirm prügelt und dabei Rachael Ancheril als Nhan links liegen lässt. Hier wird abermals überdeutlich, dass Yeohs Zweikampfkünsten der Vorrang vor ihren darstellerischen Fähigkeiten gegeben wird, auch wenn in meinen Augen jener Moment, in dem sie Leland genussvoll beim Sterben zusieht eine ihrer besten Szenen in der gesamten Serie markiert.
Während Anthony Rapp als Paul Stamets vorrangig durch Herummotzen, Raumanzugsbasteln und Schrappnellverletzungen in Erinnerung bliebt, darf Wilson Cruz als Hugh Culber hier die Akzente in einer Beziehung setzen, die ausgerechnet auf dem Biobett der Krankenstation zur Freude der Zuschauer wiederaufgegriffen wird.



Daneben bleiben die meisten Sternenflottenoffiziere hinter ihren Möglichkeiten weit zurück. Doug Jones zitiert zwar als Saru Sun Tzu, bleibt aber bei der folgenden Raumschlacht den Beweis von irgendwelchem Taktikverständnis schuldig und wirkt konstant überfordert.
Nummer Eins, sein Pendant auf der Enterprise, versäumt es ebenso, irgendwelche Akzente zu setzen. Rebecca Romjin erscheint in zu vielen Szenen ähnlich hilflos, auch wenn ich einen häufig kritisierten Misstand nachvollziehen kann: Als Charakter, dessen Charaktereigenschaften bei der Neuorientierung der Originalserie auf Spock übergingen, konnten die Autoren nicht einen 'zweiten Vulkanier' auf die Brücke der Enterprise setzen, ohne in einen Konflikt mit Spock zu geraten. So gesehen kann ich mit der Neuinterpretation der rechten Hand Pikes ganz gut leben, auch wenn ich mir zuweilen eine weniger ruppige Art gewünscht hätte.
Shazad Latif als Ash Tyler kommt ebenfalls nur wenig Zeit zugute, sodass auch er wie Pike seine besten Momente in den Schlussminuten erhält, auch wenn ich die Feldbeförderung zum Kommandanten von ganz Sektion 31 für einen umoperierten Klingonen ein wenig leichtfertig finde.
Am enttäuschendsten blieb allerdings der Auftritt Sylvia Tillys. Die Drehbuchschreiber scheinen gegen Ende der Staffel keine wirklich zündenden Ideen mehr für Mary Wisemans Charakter zu haben, die allen Ernstes in einem Anflug von Saufspiel die Schildgeneratoren mit geschlossenen Augen instand setzt. Spätestens, seit mit Tig Notaro alias Jett Reno eine zweite Frau an Bord ist, die ebenfalls mit einem großartigen Technikverständnis gesegnet ist und gleichermaßen kein Blatt vor den Mund nimmt, gerät der Charakter mehr und mehr auf ein Abstellgleis, auf dem ihr nur noch peinliche Lebenszeichen wie dieses bleiben.
Als großes Bauernopfer zum Abschluss der Staffel muss schließlich Jayne Brook herhalten. Das aufopferungsvolles Ableben Admiral Cornwells - das vor allem an einer Tür hing, die nur von einer Seite verschließbar ist (wer zum Teufel entwirft denn solche Notschotts?) - wirkte allerdings reichlich bemüht. Ähnliches ließe sich auch über den assimilierten Leland sagen, der nur einen mageren Bösewicht mimt. Sein flaches Ende, das wir in "Tal der Schatten" bereits in so ziemlich identischer Manier bewundern durften, passt jedenfalls zu einem Gegenspieler, der nie wirklich verstanden hat, zu einer spürbaren Bedrohung zu erwachsen. Wenn Control allen Ernstes noch einmal in die gleiche Falle tappt, hat die künstliche 'Intelligenz' diese Bezeichnung und eine eigenständige Existenz wohl nicht so recht verdient.
Die restliche Brückencrew ist zwar mit von der Partie, aber keineswegs auf Augenhöhe mit irgendeinem der anderen Darsteller. Natürlich dürfen sie mal ab und zu eine Zeile Drehbuch herunterleiern, sich dramatisch anschießen lassen oder verzweifelt dreinschauen, aber sie bleiben eher Statisten in einer Folge, in der es ganz klar um wichtigere Personen geht.
Einen weiteren Lichtpunkt gab es zum Abschied aus dieser Zeitlinie dann aber doch noch: L'Rells Auftritt als Anführerin der klingonischen Kavallerie mag bemüht gewesen sein, markierte jedoch ihren besten Auftritt als Kanzlerin bislang - zumal sie einer Klingonin in Aussehen und Handeln näher kam als in anderen bisherigen Folgen der Serie.



IV. Kritikwürdige Aspekte.

Die Raumschlacht.
Eine Raumschlacht ist immer ein Garant für großartige Star-Trek-Inhalte gewesen. Während man in "Das unentdeckte Land", "Der erste Kontakt" oder selbst "Star Trek - Beyond" die Handlung mit ein wenig Weltraum-Kampfaction aufpäppelte, genügt in "Angriffsziel Erde" gar nur das Trümmerfeld einer Auseinandersetzung der Erzeugung eines tiefsitzenden Schreckens. Andere legendären Schlachten wie die von Chintoka, der Auseinandersetzung der USS Enterprise mit dem Flaggschiff des romulanischen Prätors oder der verzweifelte Kampf der NX-01 gegen die Xindi-Reptiloiden sind aus dem Kanon nicht wegzudenken und machen einen beträchtlichen Teil dessen aus, was Fans an der Franchise lieben.
Dieser Traditionslinie gelang das Staffelfinale der zweiten Season Discovery nicht gerecht zu werden.
Das lag vor allem an der merkwürdigen Taktik, die so erschreckend zweidimensional wirkte, dass man selbst Kahn im zweiten Kinofilm nachträglich ein weitaus besseres Verständnis zubilligen muss.
Während nämlich die Enterprise mit der Discovery irgendwo im Weltraum auf ihren Gegner wartete, umringten die Sektion-31-Schiffe ihre beiden Gegner einfach wie eine Meute schaulustiger Schüler bei einer Pausenhofschlägerei. Dann schossen alle derart wild und ziellos aufeinander, dass man eher an ein Feuerwerk zu Silvester, als an eine Raumschlacht, die diese Bezeichnung verdienen würde, denken musste. Wozu zitiert den Saru Sun Tzu (vgl. Denkwürdige Zitate), wenn Taktik in der kommenden Stunde keinerlei Rolle spielt?
Es gab schließlich (entgegen sämtlicher Beteuerungen in den Dialogen) kaum nennenswerte Bewegungen zwischen den beteiligten Schiffen.
Wir sehen kein Ausweichmanöver Beta, Gamma oder Omega!
Kein Riker-Manöver, kein Picard-Manöver und noch nicht einmal der Versuch, ein anderes Schiff zu rammen!
Selbst als die überfällige Verstärkung aus Schiffen der Ba'ul und Klingonen eintrifft, bleibt das gesamte Geschehen eine Materialschlacht ohne viel Bewegung, abgestimmte Angriffe oder spektakuläre Aktionen. Es ist ein Stellungskrieg, dem im Gegensatz zum Grabenkampf im ersten Weltkrieg jegliche Grundlage in einem unendlichen Weltraum fehlt, in dem man nicht nur Richtungen wie 'geradeaus', 'zurück', 'links' und 'rechts' kennen sollte, sondern auch 'oben', 'unten', 'schräg' und 'schief'. Zumal man nach dem Aufladen des Zeitkristalls den Sporenantrieb hätte einsetzen können, um mittels unkalkulierbarer Sprünge wie in "Algorithmus" den Ausgang für sich entscheiden zu können.
Und weil so ein statischer Kampf am Ende ungefähr so mitreißend ist wie es klingt, muss sich die Handlung schon ziemlich winden, um überhaupt ansatzweise so etwas Spannung aufzubauen. Es ist jedenfalls auffällig, wie viel Zeit alle Beteiligten haben, in ihren Schiffen herumzustromern, ausführliche Konversationen zu betreiben oder zumindest durch aufwändig durchchoreografierte Zweikämpfe ein wenig mehr Abwechslung in die triste Raumkampflangeweile einzufügen.
Dass die finale Scharmützel stilistisch so sehr aus dem an sich spannenden Raumkampfmetier ausbricht, liegt neben seiner Bewegungsarmut vor allem im Bruch mit weiteren Traditionen.
Erstmals sehen wir nämlich, wie eine massive Shuttleflotte die Kampfhandlungen entscheidend mitbestimmt. Während man den Kleinstschiffen zumindest zugutehalten kann sich ausreichend zu bewegen, verhindert dieser Bruch mit einer Kampfphilosophie, die die Franchise bislang von anderen wie Babylon 5, Kampfstern Galaktika oder Star Wars abhob, maßgeblich, dass sich das Getümmel vertraut anfühlte. Vor allem mit Elementen wie Pods, Reparaturrobotern und den entsprechenden Soundeffekten durchbrach die Folge mehr als nur einmal jene unsichtbare Trennlinie, die Star Trek bislang klar von seinem großen Konkurrenten Star Wars trennte.
So gesehen stand diese 'Schlacht' eher in einer Tradition mit den Kämpfen, die die neuen Star-Wars-Filmen seit J.J. Abrams dominieren, als mit den epischen Auseinandersetzungen, die man Star Trek bis dato erleben konnte.




Strickmuster F.
Olatunde Osunsanmi ist bei aller Kritik an der Folge ein recht experimentierfreudiger Regisseur, der Star Trek um ein paar neue Kniffe bereichert hat. Die Split-Screen hat mir jedenfalls so sehr gefallen, dass ich mir gut vorstellen kann, sie in Zukunft häufiger wiederzusehen.
Ansonsten aber weicht die Folge trotz ihrer imposanten Länge von über einer Stunde nicht vom Negativtrend ab, der sich in den letzten paar Episoden eingeschlichen hat:
Zugunsten der aufsehenerregenden Effekte, die die Raumschlacht hier dem Zuschauer unter die Nase rieb, geriet die Handlung derart ins Abseits, dass es schwerfällt, eine Inhaltsangabe zu schreiben, die über ein paar überschaubare Sätze hinausgeht.
In Anbetracht der Zeit war es in dieser Episode neben Längen im Schlachtgeschehen vor allem der Luxus extensiver Rückblenden, der mich zumindest arg verwundert hat. Natürlich ist es notwendig, die eigenen Aktionen in diesem Moment mit der Vergangenheit in Einklang zu bringen, aber da hätte man problemlos mehr als einmal den Rotstift ansetzen können, ohne dass dem Otto-Normalverbraucher vor dem Fernseher wichtige Zusammenhänge entgangen wären. 
Zudem fiel auf, dass die dramatischen Vorhersagen der letzten Folge in bester Discovery-Manier zwar zutrafen, aber in ihrem Ergebnis so abgeschwächt ausfielen, dass es schwerfiel, sie noch sonderlich ernst zu nehmen. So überlebte die Brückencrew das Eintreffen Lelands genauso, wie die Enterprise eine Detonation eines spätzündenden Photonentorpedos wegzustecken vermochte.



Logiklöcher und Kanonbrüche.
Eines vorweg:
Ich vermag mich nicht dem allgemeinen Kritikpunkt anzuschließen, dass die Flucht der Discovery ins Wurmloch unnötig gewesen sei, weil Control längst besiegt war.
Es handelt sich schlichtweg um ein Prädestinations-Paradoxon: So sehr, wie Burnham zuerst die roten Signale der zurückliegenden Folgen aktivieren musste, um das Schlachtenglück auf ihre Seite zu lenken, musste auch die Discovery verschwinden, um eine künstliche Intelligenz auszuschalten, deren Erscheinungsform als Leland nur eine von mehreren Entsprechungen war ("offene Zeitschleife"). Es war wohl weniger die Magnetisierung der Sporenkammer, die Control besiegte, sondern das einsetzende Verschwinden jenes Schiffes, auf dem die Daten der Sphäre eingemottet wurde. Control hatte sich bereits zuvor virusartig auf den Sektion-31-Schiffes verbreitet - da bildete die Assimilierung Lelands nur ein Sahnehäubchen auf einen ganzen Corpus von dem, was die künstliche Intelligenz als Gegner ausmachte.
Während ich mich mit diesem Umstand irgendwie arrangieren kann, ärgern mich eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die beweisen, dass sich unter der Autorenschaft niemand wirklich die Mühe gemacht hat, das eigene Konzept bis zum Ende bis zum Ende zu durchdenken.
Beispielsweise ist mir nicht so ganz klar, warum die Energie ausreicht, um stolze sieben roten Signale zu verschiedenen Zeitpunkten auslösen. Selbst wenn man wohlwollend davon ausgeht, dass die ersten sechs davon in einem vergleichsweise geringen Abstand von einigen Monaten zum Sprungzeitort stattfanden, führte der letzte davon Burnham wiederum neunhundert Jahre zurück. Außerdem weiß ich nicht, ob Zeitkristalle ein eigenes Bewusstsein haben, dass sie einschätzen lässt, wann sie jemanden zur Verhinderung von Paradoxien in die Zukunft schicken, welche Umwege sie einlegen müssen oder was sie in den Visionen zu sehen bekommen.
Während man sich die Erklärungen für solcherlei Kopfschmerzthemen aber sicherlich noch zurechtbiegen kann, stört mich abermals, wie wenig Verständnis die Autoren von der Wirkensweise des Star-Trek-Universums verstehen.
Das zeigt sich insbesondere an den Schilden, die mal schneller und mal langsamer schwächer werden, mal Shuttles, Personen oder Photonentorpedos durchlassen, das Beamen von Spock auf die schildlose Discovery verhindern aber auf die kampfbereite Enterprise zulassen oder schlichtweg keinen Unterschied ausmachen, als sie inmitten des Kampfgeschehens ausfallen.
Nicht minder fragwürdig finde ich, dass Pike bei einer verheerenden Antimaterie-Explosion, die einen beträchtlichen Teil seines heißgeliebten Schiffes wegreißt, hinter einer Glaswand stehen kann, um das Geschehen von dort aus zu verfolgen.
Aber auch Ash Tylers Eintreffen mit der Kavallerie bereitet arge Bauchschmerzen.
Warum hat er keine Föderationsschiffe geholt? Wäre es nicht naheliegender, eine USS Lexington, USS Excalibur oder USS Defiant mitzubringen als die Ba'ul und die Klingonen?
Denn nur zur Erinnerung:
Die fleißigen kelpianischen Kampffliegerpiloten gehörten bis vor wenigen Folgen noch einer hinterwäldlerischen Prä-Warp-Zivilisation an, die hinter den technischen Errungenschaften der verhassten Ba'ul das Wirken von Halbgöttern vermutete.
Nicht minder problematisch ist Tylers Anwesenheit auf dem Schiff der Klingonen. Immerhin klingeln mir jetzt noch die Ohren von der Predigt, die L'Rell ihrem Kindesvater für den Fall hielt, der eintreffen könnte, wenn irgendjemand etwas darüber erfahren würde, dass er nicht von ihr getötet wurde, sondern noch immer bei bester Gesundheit für den Erzfeind der Föderation arbeitet.



V. Fazit.
Während "Süße Trauer, Teil II" inhaltlich ähnliche Schwachstellen wie vorangegangene Folgen offenbart, die sich vor allem in Handlungsarmut, Logiklöchern und Verständnislücken zeigen, beweist das Staffelfinale am Ende doch noch ungeahnten Mut.
Die Uhr wird zurück auf Null gestellt und Discovery erhält in einer weit entfernten Zukunft die Möglichkeit, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Auch wenn dieser taktische Rückzug ein wenig feige wirkt, bleibt der ansonsten mit einigen schönen Charakter- und Kanon-Momenten ausgestatteten Folge zugute zu halten, dass man diesen risikoreichen Schritt zu gehen bereit ist.

Bewertung.
Mutiger Aufbruch zum neuen Anfang.





VI. Schluss.

Die einen wird es nicht stören, die Discovery in der Zukunft weiterfliegen zu sehen, während die anderen wohl heilfroh sind, dass das Schiff und seine Besatzung nicht länger die Zeitlinie durcheinanderwirbeln. Doch während diese totale Neuorientierung im ersten Moment wie eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten klingen mag, ist sie bei genauerem Hinsehen ein Fiasko für die Schöpfer der Serie.
Der Rückzug der Discovery aus einer Zeitlinie zehn Jahre vor Kirk, Spock und Pille bildet im gleichen Atemzug nämlich das Eingeständnis des Versagens der Autoren, eine Geschichte zu erzählen, die innerhalb der Parameter dieser sehr speziellen Zeit funktioniert. Es zeigt sich, dass man deutlich mehr Recherche-Arbeit hätte investieren müssen, um diese Gratwanderung bewerkstelligen zu können. Am Ende war der damit verbundene Aufwand zu viel für diese ambitionierte Serie, die allerdings mit ihrem mutigen Schnitt einmal mehr unter Beweis stellt, dass sie auf die Fans einzugehen bereit ist.
Traurigerweise wird es aus genau diesem Grund aber auch keine Pike-Serie geben.
Es ist nur schwer vorstellbar, dass sich die Produzenten nach diesem offensichtlichen Scheitern noch einmal auf das Glatteis eines Prequels wagen werden, der in Form, Inhalt und Optik derart wenig Spielraum zulässt wie eine Serie an Bord der Originalserien-Enterprise.
Im gleichen Atemzug wirft das Staffelfinale aber auch einen düsteren Schatten auf die kommende Picard-Serie.
Wenn es schon Discovery nicht gelingt, mit den Vorbildern einfühlsam umzugehen, wie soll es dann erst einer Serie ergehen, die das Leben eines legendären Sternenflottenveteranen weiterzuerzählen versucht?
Gerade im Hinblick auf die nunmehr angelaufene letzte Staffel "Game of Thrones" bleibt festzuhalten, dass "Star Trek" in seiner Serien-Neuauflage noch weit entfernt vom Qualitätsstandard des selbst proklamierten Vorbilds ist. Das ist schade, denn mit verdienten Autoren wie David Mack, Keith deCandido oder Dayton Ward gibt es auch innerhalb der Franchise exzellente Autoren, die nicht nur hinlänglich mit der Materie vertraut sind, sondern auch hinlänglich unter Beweis gestellt haben, dass sie in der Lage sind, packende literarische Vorlagen zu verfassen, die sich für eine vernünftig konzipierte Tie-In-Serie anbieten.
Aber das bleibt wohl auch in Zukunft Vergangenheitsmusik.  



Denkwürdige Zitate.

"Wir sind die Sternenflotte. Zeigen wir's ihnen."
Captain Christopher Pike

"Drohnen - eklige Viecher."
Philippa Georgiou

"Sei unendlich subtil, ja gehe bis an die Grenzen des Formlosen. Sei unendlich geheimnisvoll, ja geh bis an die Grenzen des Lautlosen."
"Auf die Weise kannst Du Herr über das Schicksal Deines Gegners werden."
Saru und Georgiou zitieren Sun Tzu

"Leland! Wir haben gerade über Sie gesprochen. Alle an Bord der Discovery hassen Sie. Herzlichen Glückwunsch."
Georgiou

"Folgen Sie der Königin."
Pike

"Ich mach ja schon. Gehen Sie mir nicht auf den Wecker. Sir! Nicht auf den Wecker, Sir!"
Jett Reno

"Ich bin wie 'ne Katze. Ich hab' mindestens noch fünf Leben."
Jett Reno

"Dein Anzug ist bereit. Du auch?"
Spock

"Leland, Sie sehen gut aus!"
"Für ein paar Drähte und einen Datenkern in 'nem Fleischsack."
"Ein kleines leckeres KI-Würstchen…"
"Uuh…"
"Frauen - Schluss mit dem Geschwafel."
Georgiou, Nhan und Leland

"Ich bin Deine Familie und wohin es Dich auch verschlägt, gehen wir gemeinsam."
Hugh Culber

"Leicht ist langweilig. Und ich hasse langweilig."
Georgiou

"Und ich dachte schon, meine Kanzlerschaft würde unblutig werden."
L'Rell

"Ihre Geschichte endet hier noch nicht und das wissen sie auch."
Katrina Cornwell

"Du hast mich nie verloren, Michael. Als ich noch ein Kind war bin ich wirklich verloren gewesen. Der Weg meies Vaters, der Weg meiner Mutter; Du bist in mein Leben getreten und hast mir gezeigt, dass man beide beschreiten kann. Du hast mich gefunden und gerettet."
Spock

"Hör mir zu kleiner Bruder: Das ist der letzte Ratschlag, den ich Dir jemals geben werde. Vor Dir liegt eine ganze Galaxis voller Menschen, die Dich mit offenen Armen empfangen. Du musst es nur zulassen. Such Dir die, die am Gegensätzlichsten auf Dich wirken und geh auf sie zu. Geh auf sie zu. Lass Dich von ihnen leiten."
Michael Burnham

"Lebt wohl, meine Freunde. Meine Familie."
Pike

"Es sind viel radikalere Schritte erforderlich um sicherzustellen, dass sich solch ein Vorfall nicht wiederholt. […] Vorschrift 157, Paragraf III. Offiziere der Sternenflotte sollten die Teilnahme an historischen Ereignissen minimieren. Jede Spur oder Kenntnis von der Discovery oder dem Zeitanzug stellt eine Verlockung für jene dar, die nicht wissen, wie kritisch - wie extrem kritisch - diese Direktive ist. Um zu gewährleisten, dass die Föderation nie wieder in eine solche Gefahr gerät, sollte allen Mitwissern unter Androhung einer Anklage wegen Verrats untersagt werden, über die Discovery, ihre Crew oder den Sporenantrieb je wieder zu sprechen."
Spock

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"



Samstag, 13. April 2019

Turons Senf zu "Süße Trauer" [Star Trek Discovery, S2Nr13]

Spoilerwarnung. Diese Rezension enthält massive Spoiler auf "Süße Trauer", die dreizehnte Folge der zweiten Staffel "Star Trek Discovery" und sollte erst gelesen werden, wenn man diese und weitere Episoden gesehen hat.

'I. Einleitung.
Finale, oho!
Finale, ohohoho!
Da ist es doch glatt mit mir durchgegangen, als mir bewusst wurde, dass die Achterbahnfahrt namens 'zweite Staffel Discovery' grade ihren vorletzten Looping durchquert. Kaum zu glauben, wie schnell dreizehn Wochen vorbei sind!
Vor allem, wenn man an das eher ernüchternde Ende denkt, dass uns diese Serie in seiner ersten Season beschert hat, muss man an dieser Stelle noch einmal festhalten, dass die Vorzeichen dieses Mal ungleich besser sind: Viele fragwürdige Entscheidungen wurden revidiert, mehreren Folgen gelang es zu glänzen und mit Christopher Pike hielt auch ein neues Star-Trek-Gefühl auf der vormals sterilen Discovery Einzug.
Doch im gleichen Atemzug muss auch eingeworfen werden, dass nach einem starken Startsprint die Luft langsam enger zu werden scheint. Die letzten paar Folgen boten nicht mehr den frischen Wind ihrer Vorgänger, mutierten schleichend in eine Burnham-Solo-Show oder boten inhaltlich kaum nennenswerte Handlungen.
Aber alles ist zurück auf null gestellt, denn mit den letzten beiden Folgen wird endlich Klarheit herrschen! Es kann (aufgrund der bisherigen Entwicklungen um den roten Engel, die künstliche Sektion-31-Intelligenz und de rätselhaften Signale) keineswegs so trostlos enden wie anno dazumal noch in "Nimm meine Hand" – zumal wir dank der blitzartigen Informationsverbreitung im Internet längst wissen, dass der Weg des Staffelabschlusses über Pikes legendäre Enterprise führt...




II. Story.
Als die Selbstzerstörungssequenz der USS Discovery per Fernsteuerung von der Enterprise aus aktiviert wird, erleben Captain Christopher Pike, Michael Burnham und Spock ihr blaues Wunder. Die längst verblichene Sphäre hat nicht nur ihren Nachlass an Daten gesichert, sondern auch das ganze Schiff, auf deren Computern ihr Lebenswissen seit ihrem Ableben sicherheitsgespeichert wurde. Da nützt es auch nichts, ein paar Salven Photonentorpedos abzufeuern.
So wird Michael Burnham schlagartig bewusst, dass es ihr obliegt, einen anderen Weg einzuschlagen: Sie muss in einen Nachbau des Anzugs ihrer Mutter schlüpfen, die Discovery in eine Zeit schleppen, in der sie vor dem Zugriff Controls geschützt ist und somit den Tag und das ganze Leben in der Galaxis retten.
Der einzige Haken an der Geschichte ist allerdings, dass es eine Mission oder Wiederkehr ist, denn der Zeitkristall, den Pike auf Boreth erhielt, lässt zwar den Trip in die Zukunft zu, aber verliert danach seine Fähigkeiten.
Dennoch ist Burnham fest entschlossen, dieses Opfer zu bringen.
Schweren Herzens sagt sie Lebewohl zur Crew der Discovery.
Dann verabschiedet sie sich von ihren Adoptiveltern Amanda Grayson und Sarek.
Kurze Zeit später auch noch von Sylvia Tilly.
Und Ash Tyler.
Als sie auch noch einigen anderen liebgewonnenen Kameraden Abschiedsworte zukommen lassen will, offenbaren diese ihr, dass sie beabsichtigen, mit ihr auf dem Schiff zu verbleiben.
So verabschiedet sich Saru von seiner Schwester, Tilly von ihrer Mutter, Owosekun von ihrer Familie, Detmer von ihrer Freundin aus Akademietagen und Paul Stamets von seinem Bruder.
Dann aber versammeln sie sich endlich auf der Brücke ihres Schiffes, um ihrem Captain Christoper Pike gemeinsam 'Auf Wiedersehen' zu sagen…

III. Lobenswerte Aspekte.

Kanonfutter.
Nun ist es endlich offiziell: Keine Holokommunikation mehr!
Zumindest auf der Enterprise, wo Pikes Nummer Eins ihrem Captain diese frohe Botschaft übermittelt (vergleiche Denkwürdige Zitate), ohne dass die Folge mit der ehernen Star-Trek-Tradition brechen würde, ihren Vor- oder Nachnamen zu verheimlichen.
Solcherlei segensreichen Sitten bleibt die Folge treu und eine ganze Reihe an denkwürdigen Star-Trek-Momenten reiht sich wie an einer Perlenkette aneinander.
So hören wir aus Sareks berufenen Munde, dass er ein offenes Ohr für seinen Sohn haben wird, wenn dieser die Zeit für gekommen hält (und wir wissen, dass es bis "Reise nach Babel" dauern wird).
Wir sehen eine Crew, die sich weigert, eines ihrer Mitglieder allein ins Verderben zu rennen und sich daher deren Belangen trotz großer Ungewissheit bedenkenlos anschließt (so wie in "Auf der Suche nach Mr. Spock", "Der Aufstand" oder "Die 37er").
Und wir fühlen wieder das Kribbeln im Bauch, wenn die Flure, der Turbolift und die Brücke der USS Enterprise längst verschüttet geglaubte Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit wecken, in denen man die einzelen Folgen der Originalserie noch nicht kannte.
Auch wenn insbesondere diese Neuinterpretation der Brücke einigen Unmut in den Weiten des Internets hervorrief und auch andere Serien wie "The Next Generation", "Deep Space Nine" oder "Enterprise" ein ungleich traditionelleres Bild transportierten, fand ich persönlich die Aufregung darum etwas übertrieben, zumal jene Szenen am Ende doch eher den Charakter einer Fußnote hatten. Es war ein netter Kompromiss zwischen der stilprägenden Optik der Serie und dem vertrauten Design aus den Sechzigern – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.
Stattdessen schien es, als wolle Discovery mit diesen sehr symbolischen Szenen noch einmal die Friedenpfeife rauchen, den Ölzweig herumreichen oder als Geste des guten Willens ein ganzes Shuttlehangar voller Friedenstauben öffnen: In einem Anflug von gutem Willen, erleben wir wieder den gleichen Geist, der uns nicht nur haarige Klingonen, einen Star-Trek-Werte-transportierenden Captain Pike oder eine Absage an die Holokommunikation zurückbrachte, sondern auch die Hoffnung nährt, dass die gleiche Verbesserungsbereitschaft auch in der nächsten Staffel eine Fortführung findet.
Ansonsten ist es wiederum der größte Verdienst der Episode, die vermeintlich einem größeren Zusammenhang entrissenen Short Treks geschickt miteingebunden zu haben. Nachdem bereits "The Brightest Star" in "Donnergrollen" bewiesen hat, dass die Miniepisoden mehr als nur bloße "Appetithäppchen" waren, wertet "Süße Trauer" nun den ersten Beitrag "Runaway" in gleicher Weise auf. Wenn nun auch "Calypso" durch das Finale bewahrheitet bleibt, wäre allein der eher humoristisch geprägte Sonderbeitrag "The Escape Artist" nicht entscheidend mit dem Handlungsverlauf verwoben. Die Etablierung verschiedener Handlungselemente in diese Kleinstfolgen um sie im Verlauf der Serie wieder hervorzukramen, war jedenfalls eine der gelungeneren Neuerungen der zweiten Staffel und verdient unbedingt eine Wiederaufnahme im Vorfeld der dritten Staffel.




Charaktermomente.
Während bei wichtigen internationalen Konferenzen alle für ein gemeinsames Gruppenfoto posieren um zu beweisen, dass sie auch wirklich vor Ort waren, nimmt sich Discovery den Luxus heraus, zum großen Staffelfinale seine Darsteller noch einmal in einer Art Prozessionsmarsch vor der Kamera vorbeiziehen zu lassen. Abgesehen von der Klingonin L'Rell darf nämlich noch einmal jeder Darsteller - von Sarek, bis Amanda Grayson, Admiral Cornwell, Nummer Eins, Philippa Georgiou, Jett Reno, Leland, Me Hani Ika Hali Ka Po und Gabrielle Burnham - nochmal vor die Linse treten. Selbst eine Entsprechung von Signalmeister Colt aus dem Pilotfilm wurde an Bord der Enterprise hinzugefügt. Dass am Ende die Anteile der einzelnen Schauspieler sehr unterschiedlich ausfielen, lag – nicht zuletzt in Anbetracht der Folgendauer – in der Natur der Sache.
Der Großteil des Geschehens drehte sich abermals um Michael Burnham.
Als Star der Serie kommt ihr ohnehin ein Großteil der Aufmerksamkeit zugute, doch dieses Mal schienen die übereifrigen Autoren noch ein paar Schippen mehr auflegen zu wollen, als es der Glaubwürdigkeit noch gerade so zumutbar gewesen wäre. In "Süße Trauer" vereint sich nämlich mehr denn je Lob, Last und Leid auf der Figur, deren schmale Schultern das Geschick des ganzen Universums stemmen müssen. Immerhin steht Sonequa Martin-Greens fraglos vorhandene schauspielerische Leistung über den Unzulänglichkeiten der mit ihrer Rolle verbundenen Figurenzeichnung.
Nach ihrem Namen muss der Anson Mounts Erwähnung finden. Der Darsteller Pikes liefert mit seinem Abschied als Captain der Discovery einen Auftritt irgendwo zwischen Kitsch und Können ab. Gerade in Szenen aber, in denen er keinerlei Rolle mehr spielt, wird aber nur allzu schmerzlich deutlich, wie groß sein positiver Einfluss auf die Ausrichtung der gesamten Serie war.
Beste Chancen in seine äußerst großen Fußstapfen zu treten hat ausgerechnet der in letzter Zeit sträflich vernachlässigte Saru. Doug Jones gelingt es nach langer Durststrecke endlich mal wieder, seine Fähigkeiten anzudeuten.
Selbst um den eigentlich von den Fans so sehnsüchtig erwarteten Spock bleibt es erstaunlich ruhig. Ethan Peck mimt einmal mehr einen fantastischen Spock, ohne allerdings dessen Stärke als Wissenschaftsoffizier ausspielen zu können. Der wohl ikonischste Charakter der Star-Trek-Geschichte wirkt hier wie der kleine (unterlegene) Bruder seiner großen Schwester und kann nur selten sein Potential unter Beweis stellen.
Gleiches lässt sich auch über Anthony Rapp als Paul Stamets sagen, der immerhin endlich mal ein wenig mehr Textzeilen als in vorangegangenen Episoden erhielt. Schade, dass der Großteil seiner Dialoge in sinnfreiem Technobabble untergeht, denn ich hätte mir mehr Szenen wie die zwischen ihm und seinem Ex-Partner Hugh Culber [Wilson Cruz] gewünscht. So gerieten beide abermals gegenüber Jett Reno [Tig Notaro] ins Hintertreffen, die mit ihrer frotzeligen Art immerhin die Lacher und die Teilnahme an gewichtigeren Szenen für sich in Anspruch nehmen konnte.
Die Rückkehr Sylvia Tillys [Mary Wiseman] nach einer ganzen Folge, in der sie gar nicht zu sehen war, fiel verhalten aus. Als wüssten die Drehbuchschreiber plötzlich nichts mehr mit ihr anzufangen, fällt der Charakter in ebenso alte wie unnütze Verhaltensmuster zurück, indem sie zumeist durch unqualifizierte Kommentare auffällt. Immerhin stimmt die Chemie zwischen ihr und Me Hani Ika Hali Ka Po [Yadira Guevara-Prip]. Der zuvor nur im Short-Trek "Runaway" etablierte Charakter bringt willkommene Abwechslung ins bierernste Ensemble und schafft es auf angenehme Art und Weise, die unerträgliche Gewichtigkeit des Lebens an Bord der Discovery beinahe im Vorbeigehen aufzulockern.
Das wurde insbesondere deutlich, als sie die Imperatorin Philippa Georgiou [Michelle Yeoh] in die Schranken wies. Wobei sich ohnehin die berechtigte Frage aufdrängt, warum die Figur überhaupt in der Besetzungsliste zu finden war; einen wirklichen Beitrag zu Handlung leistete sie jedenfalls nicht.
Für ihren Kollegen Ash Tyler [Shazad Latif] bleibt nur zu hoffen, dass er sich mit seinem Plan zur Rettung der Sektion 31 aus dem übermächtigen Schatten Burnhams lösen kann, denn auch wenn seine traute Zweisamkeit mit Burnham noch eine der dezenteren Szenen bildete (!), blitzte sein Potential vor allem auf, als er gegen Ende ohne seine Ex-Freundin mit Pike auf der Transporterplattform diskutierte.






Viele andere Auftritte hätte man auch aus Kosten-, Zeit- oder Relevanzgründen bequem weglassen können. Amanda Grayson [Mia Kirshner] dabei zuzusehen, wie sie ihrem Mann Sarek [James Frain] warme Wickel zum Meditieren reicht, mag als Eingangsszene noch funktioniert haben, aber ihr gemeinsamer Spontanbesuch auf der Discovery war dann doch arg bemüht. Hier hätte ein gemeinsames Gespräch mit (ihrem eigentlichen Sohn) Spock vielleicht mehr Sinn ergeben, zumal es verhindert hätte, dass der disziplinierte Vulkanier derart emotionale Regungen zeigt.
Admiral Katrina Cornwell [Jayne Brook] blieb ebenso wie Nummer Eins [Rebecca Romjin] oder Nhan [Rachael Ancheril] weit hinter ihren Möglichkeiten zurück und diente bestenfalls als Stichwortgeberin.
Noch weniger Gelegenheit zu glänzen hatten nur Leland [Alan van Sprang] und Gabrielle Burnham [Sonja Sohn], deren Auftritte sich auf Visionen, beziehungsweise Logbuchaufnahmen beschränkten.
Die gute Nachricht bleibt allerdings, dass die Brückencrew der Discovery einmal mehr ins Rampenlicht gerückt wurden. Nicht nur, dass sie von Captain Pike in einer Rede adressiert wurden; sie durften darüber hinaus sogar längere Textpassagen aufsagen! Die privaten Einblicke ins Leben von Joann Owosekun [Oyin Oladejo] und Keyla Detmer [Emily Coutts] waren jedenfalls eine Premiere für diese Serie, in der Brückenoffizieren abseits vom Main Cast eher eine Statistenrolle zukam. Bleibt zu hoffen, dass ihnen das Schicksal Airiams – dem einzigen Crewmitglied der Discovery, dem bislang eine ähnliche Aufmerksamkeit zukam – erspart bleibt.




IV. Kritikwürdige Aspekte.

Leerlauf.

"Ist dies alles […]? Ist da sonst gar nichts mehr?"

Diese weisen Worte eines gealterten Spocks aus dem ersten Kinofilm kamen mir in den Sinn, als ich mir für die Zusammenfassung die Handlung ins Gedächtnis zurückrufen wollte. Denn bei genauerem Hinsehen muss man erkennen, dass "Süße Trauer" nicht viel Substanz bietet. Mehr noch, die gesamte Handlung ließe sich problemlos unter zehn Minuten erzählen. Stattdessen wird der restliche Raum der achtundvierzigminütigen Folge von viel Gefühl, viel Schmalz und viel Drama aufgefüllt wie ein Schlagloch mit Kies.
Dabei ist natürlich nachvollziehbar, dass diese Folge inhaltlich wohl noch viel unglaubwürdiger ausgefallen wäre, wenn man auf einen gebührenden Abschied Burnhams oder Pikes verzichtet hätte. Aber dass wir als Zuschauer nicht weniger als dreizehn (!) dieser tränenreichen Momente miterleben dürfen, strapaziert am Ende zu sehr die Ausgewogenheit der Folge!
Zumal das Wenige, was abseits von Trennungsschmerz noch übrigbleibt erschreckend vorhersehbar ist. Es war klar, dass die Selbstzerstörung der Discovery schiefgehen musste. Genauso klar war, dass der Sphären dafür die Schuld in die Schuhe geschoben werden würde. Ebenso offensichtlich war der Plan, die Discovery in die Zukunft des Short Treks "Calypso" zu schicken. Oder dass mindestens noch eines der erwarteten sieben Signale auftauchen würde. Oder dass Pike auf die Enterprise zurückkehrt. Oder dass Michael Burnham irgendwie doch der rote Engel ist. Ja selbst der Cliffhanger war auf seinen Zeitpunkt genau vorhersehbar.
Was man darüber hinaus bisher nicht gewusst hatte, wurde durch den Trailer und die im Internet verbreiteten Bilder gespoilert. So blieb kaum mehr als sich eine Geschichte anzusehen, die sich in ihren Grundzügen schon vor der Ausstrahlung angedeutet hatte und nur geringfügig Spiel für Überraschungen bot. Zudem kommt beim Zuschauen sowieso der Verdacht auf, dass sich die gesamten Gedankenspiele um Burnhams Mission ohne Wiederkehr am Ende als Holzweg erweisen dürften, der nur dazu dient, falsche Erwartungen zu schüren.
Und als wäre das alles noch nicht genug gewesen, klafften abermals gigantische Logiklöcher in der Handlung.

Logiklöcher und Kanonbrüche.
Man stelle sich nur für einen Moment einmal vor, dass es sich bei Star Trek um eine real existierende Welt handeln würde, die innerhalb von bestimmten Parametern funktioniert, die im Verlauf ihrer fünfzigjährigen Geschichte etabliert wurden. Man füge diesem Universum vielleicht noch einige glaubwürdige Erweiterungen zu, die im Lichte von Organisationen wie Sternenflotte, an Bord von Gefährten wie Raumschiffen oder in einer technologisch fortgeschrittenen Zivilisation durchaus nachvollziehbar wirken.
Unter diesem Gesichtspunkt ist einzig die Evakuierungssequenz eine erzählerische Idee von Relevanz.
Der Rest?
Totaler Bockmist!
Es zeigt nämlich das Grundproblem auf, an dem die Serie so sehr leidet: Den Autoren fehlt ein Grundverständnis für die Welt in der Star Trek existiert. Und selbst ihre eigene Kreation bereitet ihnen Schwierigkeiten.
Beispiel gefällig?
Nun, um die dringend benötigte Zeit zu erhalten, die die Discovery-Besatzung benötigt, um ihren Zeitkristall einsatzfähig zu machen, müsste das Schiff von Xahea aus nur auf Warp gehen. So wie die Enterprise einen bequemen Vorsprung vor der Flotte von Sektion-31-Schiffen hatte, könnte auch ein Warp beschränktes Schiff problemlos zwölf Stunden (bis der Kristall vollständig aufgeladen ist) im Warp zubringen.
Um sich aber dem Zugriff von Sektion 31 vollständig zu entziehen müsste die Discovery nur in eine leere Ecke des äußersten Delta-Quadranten springen. Die feindlichen Schiffe würden mit ihren herkömmlichen Antrieben mindestens siebzig Jahre dorthin brauchen – genug Zeit, um Zeitkristalle selbst zu züchten! Wem das aber noch nicht als ausreichender Abstand erscheint, dem sei gesagt, dass der Pilzantrieb sogar eine Flucht in ein völlig anderes Universum ermöglicht…
Wenn man das alles bedenkt wird nicht nur deutlich, was für einen bescheidener Plan die Autoren hier den Charakteren in den Mund gelegt haben, sondern auch welch wertvolle Arbeit Personen wie Michael Piller, Rick Berman oder Michael Okuda mit ihrer Beteiligung an vorherigen Star-Trek-Serien überhaupt leisteten. Sie haben sich immerhin die Mühe gemacht, derlei Unstimmigkeiten zu bedenken und zumindest durch fadenscheinige Erklärungen ("Die Mineralien im Fels verhindern eine Sensorerfassung.", "Das Warpfeld könnte sich negativ auf die strukturelle Integrität des Zeitkristalls auswirken." oder "Die Leistung des Warpantriebs eines Schiffes der Glenn-Klasse kann nicht mit der eines Schiffes der Constitution-Klasse Schritt halten.") aufzulösen.
Diesen Versuch unternimmt Discovery nicht einmal im Ansatz.


So gibt es etwa eine Vielzahl von Möglichkeiten, ein Schiff abseits von Selbstzerstörungsmechanismus und Photonentorpedobeschuss zu zerstören. Man könnte den Warpkern gezielt überlasten, Antimaterieeindämmungen per Hand außer Kraft setzen oder gar eine Photonentorpedoexplosion im Inneren des Schiffes herbeiführen. Wie kann es sein, dass die Besatzung plötzlich eher in der Lage ist, einen hochentwickelten Zeitreiseanzug nachzubauen, als einen der tausend Wege einzuschlagen, ein Schiff zu zerstören?
Aber auch andere Fragen erschließen sich nicht so ganz.
Wieso sind die Discovery und die Enterprise die einzigen Föderationschiffe auf weiter Flur?
Es muss einem kriegserfahrenen Admiral wie Cornwell doch möglich sein, mehr Sternenflottenschiffe zu mobilisieren, um dem eigenen Flaggschiff im Kampf gegen durchgeknallte Supercomputer beizustehen!
Schließlich hat es auch Sarek zusammen mit seiner Frau geschafft, sich der Discovery zu nähern.
War das vulkanische Shuttle schneller als die Sektion-31-Schiffe?
Immerhin hat Sarek den mentalen Kontakt zu seiner Ziehtochter aufgebaut, bevor ihr Schiff nach Xahea gesprungen ist!
Und warum haben Burnham und Reno nicht eigene Todesvisionen wie Pike, wenn sie den Kristall berühren, sondern sehen nur ein paar Ausschnitte der bevorstehenden Raumschlacht?



Inzwischen hat sich längst eine Gruppe gutgläubiger Fans gefunden, die im Vorhaben der Discovery eine Neuausrichtung der Serie vermuten, die nun rein prinzipiell in einer Zeitlinie spielen könnte, in der sich nicht ständig Gefahr laufen würde, ein Tretminenfeld nach dem anderen anzusteuern. Im dreiunddreißigsten Jahrhundert wäre man frei von solchen Beschränkungen und könnte einen (fast) völlig neuen Start wagen.
Doch das würde schon jetzt schwierig werden.
Nicht nur, dass es ein unvorstellbares Eingeständnis seitens der Produzenten wäre, mit der Ansetzung der Serie in dieser Epoche einen Fehler begangen zu haben. Es scheitert darüber hinaus an einer Person in den Reihen jener Freiwilligenriege an Bord der Discovery, die sich mit Burnham durch die Zeit bewegen will:
Spock, von dem wir wissen, dass er eine bedeutende Rolle in seiner eigenen Zeitlinie einnehmen wird.




V. Fazit.
Der Auftakt des mit Spannung erwarteten Staffelfinales bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Zwar ist der nostalgische Abstecher auf die Enterprise eine schöne Geste, aber er vermag nicht die vielen Schwachstellen einer Folge zu übertünchen, deren Balanceakt zwischen Kitsch und Kreativität nicht glückt. Stattdessen tischt sie dem Zuschauer eine unstimmige Minihandlung auf, die endgültig unter Beweis stellt, dass die Autoren nicht verstanden haben, was die Star-Trek-Welt im Innersten zusammenhält.

Bewertung.
Ein unerwarteter Tiefpunkt.





VI. Schluss.
Nach dem, was die zweite Staffel bislang auf die Beine gestellt hat, bleibt es zu hoffen, dass "Süße Trauer" eher ein Ausrutscher, als ein weiterer Verschnaufpunkt in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale ist.
Immerhin bleiben die Vorzeichen vielversprechend.
In der nächsten Folge erwarten uns zwei weitere Signale, eine packende Raumschlacht, ein nicht-detonierter Photonentorpedo in der Hülle der Enterprise, ein beherzter Sprung in die Zukunft und zudem wurden Schauspieler wie Produzenten nicht müde uns zu versichern, dass sich mit dieser Folge sämtliche Kanonprobleme in Wohlgefallen auflösen würden.
Eines aber wurmt mich gegen Ende der Staffel.
Nach dem absehbaren Fall von Control wollen die Verantwortlichen wirklich eine Sektion-31-Serie auf die Beine stellen?
Michelle Yeoh, Shazad Latif und Alan van Sprang gelang es tatsächlich streckenweise, mich in ihren Bann zu schlagen, aber einen ganz andere Option drängt sich Fans wie mir viel mehr auf.
Warum gibt es keine Serie um die frühen Abenteuer der USS Enterprise unter dem Kommando eines Captain Pike, der von Anson Mount so grandios verkörpert wurde?
Mit Spock, Nummer Eins, Colt oder Hugh Culber gäbe es eine Reihe von spannenden Charakteren, denen ich viel mehr zutrauen würde.
Und sofern die Verantwortlichen wirklich ein Ohr für die Fans haben, werden sie sich ihren Wünschen nicht verschließen können. Längst gibt es eine Online-Petition zu diesem Thema und ich kann nur jedem empfehlen, dieses äußerst vielversprechende Projekt zu unterstützten.
Aber wohl schon allein, weil wohl viele Fans wie ich dem Konkurrenzprodukt einer vollendeten Fünfjahresmission der Enterprise durch Christopher Pike den Vorzug gegenüber einer Discovery-Serie geben würde, dürfte CBS und die involvierten Produzenten von einer solchen Serie Abstand nehmen.
Schade eigentlich, denn wenn mich die bisherige zweite Staffel Discovery eines hat schätzen gelehrt, dann diesen Captain, den ich in der dritten Staffel schmerzlich vermissen werde.




Denkwürdige Zitate.

"Sie gehört ganz Ihnen, Chris."
"Und sie sieht so gut aus, wie eh und je."
"Willkommen zuhause, Captain."
Admiral Katrina Cornwell, Captain Christopher Pike und Nummer Eins

"Alle Hauptsysteme sind wieder online und es gibt keine holografische Kommunikation mehr. Nie mehr."
"Ist wahrscheinlich das Beste."
Nummer Eins und Pike

"Orange… Nein, oder?"
Philippa Georgiou

"Natürlich! Solange die Discovery im Hier und Jetzt existiert, wird das niemals enden."
Michael Burnham

"Danke. Können Sie beim Laufen essen? Dann erzähle ich ihnen alles."
Pike

"Einer der Vorteile wenn man Königin des politisch relevantesten Planeten der ganzen Galaxis wird, ist: Ich muss nicht auf zynische Spötter hören. Hab ich sogar zum Gesetz gemacht."
 Me Hani Ika Hali Ka Po

"Wissenschaft rockt."
Po

"Ich liebe Sie… Sie alle."
Michael Burnham paraphrasiert Erich Mielke

"Ich kann Sie immer noch nicht leiden."
"Das geb ich gern zurück."
Paul Stamets und Jett Reno

"Ich bin übrigens Terranerin aus dem Spiegeluniversum!"
"Welches Spiegeluniversum."
Philippa Georgiou und Pike

Weiterführende Leseliste.

01. Rezension zu: "Brother"
02. Rezension zu "New Eden"
03. Rezension zu "Lichtpunkte"
04. Rezension zu "Der Charonspfennig"
05. Rezension zu "Die Heiligen der Unvollkommenheit"
06. Rezension zu "Donnergrollen"
07. Rezension zu "Licht und Schatten"
08. Rezension zu "Gedächtniskraft"
09. Rezension zu "Projekt Daedalus"
10. Rezension zu "Der rote Engel"
11. Rezension zu "Der Zeitstrom"
12. Rezension zu "Tal der Schatten"
13. Rezension zu "Süße Trauer, Teil I"
14. Rezension zu "Süße Trauer, Teil II"

Staffel 1.

01. Rezension zu "Leuchtfeuer" und "Das Urteil"
03. Rezension zu "Lakaien und Könige"
04. Rezension zu "Sprung"
05. Rezension zu "Wähle Deinen Schmerz"
06. Rezension zu "Lethe"
07. Rezension zu "T=Mudd²"
08. Rezension zu "Si Vis Pacem, Para Bellum"
09. Rezension zu "Algorithmus"
10. Rezension zu "Nur wegen Dir"
11. Rezension zu "Der Wolf im Inneren"
12. Rezension zu "Blindes Verlangen"
13. Rezension zu "Auftakt zum Ende"
14. Rezension zu "Flucht nach vorn"
15. Rezension zu "Nimm meine Hand"

Short Treks.

01. Rezension zu "Runaway"
02. Rezension zu "Calypso"
03. Rezension zu "The Brightest Star"
04. Rezension zu "The Escape Artist"